Abwechslungsreiches Kinoprogramm im Filmklub Wieselburg im Dezember
Der Filmklub Wieselburg zeigt im Dezember die Filme Paterson, Sieben Minuten nach Mitternacht und Die rote Schildkröte im Wieselburger Kinomalvier.
Paterson – Mittwoch, 6. Dezember 2017, 19.30 Uhr

Paterson | USA/F/D |2016 | 113 Min OmU | Regie Jim Jarmusch | Darsteller | Adam Driver, Golshifteh Farahani, William Jackson Harper, Chasten Harmon, Frank Harts
Foto: Filmladen
Paterson (Adam Driver) arbeitet als Busfahrer in einer Kleinstadt, die genauso heißt wie er selbst: Paterson im US-Bundesstaat New Jersey. Jeden Tag geht er dort seiner Routine nach – er fährt dieselbe Route, beobachtet dabei das Geschehen außerhalb seiner Windschutzscheibe und hört Bruchstücke von Gesprächen seiner Passagiere. In seiner Mittagspause setzt er sich in den Park und schreibt Gedichte in sein kleines Notizbuch, das außer ihm niemand lesen darf. Wenn er nicht seinen Bus fährt, geht Paterson mit seinem Hund spazieren, trinkt in einer Bar exakt ein Bier und kehrt schließlich nach Hause zu seiner Frau Laura (Golshifteh Farahani) zurück. Laura ist im Gegensatz zu ihm eine Träumerin, die ihre Welt am liebsten jeden Tag aufs Neue auf den Kopf stellen würde und eine Faszination
für Schwarzweißkontraste hat. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit liebt das Paar einander innig, und Laura unterstützt Patersons neu entdecktes poetisches Talent voller Elan. Der Bus weist als Zielort Paterson aus, der Busfahrer heißt Paterson, und sein Lieblingsbuch ist „Paterson“, das große epische Gedicht, das William Carlos Williams über dreißig Jahre hinweg verfasst hat. In Jim Jarmuschs Spielfilm erscheint die gleichnamige Mittelstadt als in sich eingeigelter Ort, und das Leben von Paterson, dem jungen Mann, ist mindestens so hermetisch wie sein Wohnort. Die Figuren in diesem Film haben keine wirklich dramatischen Konflikte – „Paterson“
ist vielmehr eine Art Gegenentwurf zum hochdramatischen Kino. Was Jim Jarmusch umzutreiben scheint, ist die Poesie von Details, deren Variationen und die von alltäglichen Begegnungen. Über ihre Hobbys und Marotten kommen in Paterson Paare und Passanten, Kollegen und Nachbarn miteinander ins Gespräch – und überwinden wie nebenbei alle möglichen Grenzen. Die zahllosen Sehnsuchtssignale, die der Film setzt, kulminieren in der Begegnung mit einem Japaner (Masatoshi Nagase), der Paterson beim Abschied ein Geschenk macht, das dessen Leben wieder einen Anstoß gibt – und damit einen neuen Grund, in Paterson zu bleiben.
Gefilmt wurde Paterson in der realen Ortschaft Paterson sowie in der nahegelegenen Großstadt New York. Seine Premiere feierte der Film im Mai 2016 im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes.
Sieben Minuten nach Mitternacht – Mittwoch, 13. Dezember 2017, 19.30 Uhr

Sieben Minuten nach Mitternacht (Original: A Monster Calls | USA/E | 2016 | 108 Min OmU | Regie: J.A. Bayona | Darsteller: Lewis MacDougall, Felicity Jones, Sigourney Weaver, Liam Neeson, Toby Kebbell, Geraldine Chaplin
Foto: UPI
Die Kirche vor dem Haus stürzt ein, der Friedhof wird von einem Abgrund verschlungen, in den auch seine Mutter (Felicity Jones) zu stürzen droht. Zwar kann der zwölfjährige Conor (Lewis MacDougall) noch ihre Hand ergreifen, doch seine Kraft reicht nicht aus und er muss sie schließlich verzweifelt loslassen. Hintergrund für diesen Alptraum ist die Krebserkrankung seiner Mutter. Während sie todkrank im Bett liegt, muss der Bub sein Leben selbst organisieren, es droht der Umzug in die Stadt zur ungeliebten Großmutter (Sigourney Weaver). In der Schule gilt Conor als Träumer und wird regelmäßig verprügelt. Zudem leidet er noch immer unter der Scheidung seiner Eltern. Inspiriert vom Film „King Kong und die weiße Frau“, aber auch durch seine eigenen Zeichnungen und die seiner Mutter, zieht Conor sich immer mehr in seine Fantasiewelt zurück. So wird die mächtige Eibe vor dem Haus kurz nach Mitternacht zum gewaltigen Baummonster (Stimme: Liam Neeson). Flößt es dem Buben anfangs noch Furcht ein, so führt es ihn schon bald in eine Märchenwelt mit Königen, Hexen und Alchimisten. In drei Geschichten lehrt es ihn sich seinen eigenen Ängsten, aber auch seiner Wut und seinen Aggressionen zu stellen und schließlich auch die Mutter loszulassen.
Die drei Geschichten des Baummonsters begeistern durch ihre herausragende visuelle Gestaltung, der Film wird hier zum bildmächtigen Zeichentrickfilm, in dem die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen. Die Verfilmung von Patrick Ness´ Jugendroman durch den katalanischen Regisseur Juan Antonio Bayona („Das Waisenhaus“, „The Impossible“) wurde mit neun spanischen Filmpreisen ausgezeichnet.
Von der Deutschen Film- und Medienbewertung wurde „Sieben Minuten nach Mitternacht“ mit dem Prädikat besonders wertvoll versehen.
Die rote Schildkröte – Mittwoch, 20. Dezember 2017, 19.30 Uhr

Die rote Schildkröte | J/F/B | 2016 | 80 Min | Regie: Michael Dudok de Wit
Foto: Polyfilm
Ein Schiffbrüchiger treibt durchs Meer, die Wellen drohen ihn zu verschlucken. Irgendwann verliert der Mensch das Bewusstsein und wacht am nächsten Tag an einem Strand auf. Es ist eine winzige tropische Insel, auf der Krabben, Schildkröten und Möwen leben, es gibt ein Wäldchen und einen Teich, ein paar Felsen. Sonst nichts. Der Mensch versucht ein Floß zu bauen, doch kaum hat er es aufs offene Meer geschafft, bringt ihn eine Riesenschildkröte zum Kentern und er muss umkehren. Jeder seiner Fluchtversuche scheitert an dem Tier. Bis seine Enttäuschung zu groß wird und er etwas Unverzeihliches tut. Michael Dudok de Wit ist ein Meister des minimalistischen Stils. Bereits in seinem Oscar-prämierten Kurzfilm “Father and Daughter” erzählen schlichte Linien und von ihnen angedeutete
Flächen eine Geschichte – ohne Worte oder Mimik. Seine Bildsprache ist stark geprägt von der Strichführung japanischer Farbholzschnitte und erinnert mit ihrer aquarellartigen Farbgebung an die Bilder von Isao Takahata (“Die Legende der Prinzessin Kaguya”). Kein Wunder, dass Takahata und Hayao Miyazaki („Prinzessin Mononoke“, “Chihiros Reise ins Zauberland“) auf den Niederländer aufmerksam wurden. Die beiden Altmeister gehören zu den Gründern des traditionsbewussten japanischen Animationsstudios Ghibli, das seit jeher vordergründig auf die Technik und Ästhetik klassischer Zeichnungen setzt. „Die rote Schildkröte“, angesiedelt zwischen europäischen Meerjungfrau-Märchen und japanischen Fabelwesen, wurde 2016 in Cannes mit dem Un certain regard-Spezialpreis
ausgezeichnet und war bei der Oscarverleihung 2017 für den besten animierten Spielfilm nominiert. Es ist der erste Film, den Ghibli außerhalb Japans produziert hat.
Kino mal vier | Kinostraße 1, Wieselburg, kinomalvier.at
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