Blechbläser trinken lieber Bier: Rüdiger Baldauf
Den Trompeter kennt man aus Stefan Raabs „TV Total“, er spielte auch bereits mit Weltstars wie Ray Charles, Seal, Maceo Parker, Joe Zawinul, Shirley Bassey, Udo Jürgens oder Barbra Streisand. Im April gab er für einen Tag Trompeten-Einzelworkshops beim Instrumentenbauer Haagston.

»Ich weiß nicht, ob man das so gemein sagen darf, aber bei Jazztrompetern ist das manchmal ein aus Inkompetenz geborener Sound.« Foto: Alex Schulten
Welchen Stellenwert hat Musik in deinem Leben?
Die Musik ist das Wichtigste. Mein Wohlbefinden hängt davon ab, wie gut ich auf dem Instrument spiele. Wenn ich gerade gut spiele, habe ich das Gefühl, dass ich auf dem richtigen Weg bin und kann dann auch andere Dinge in meinem Leben – zum Beispiel auch familiäre – viel entspannter lösen.
Du spielst ja sehr viel. Wie oft übst du?
Oh, schon wieder eine schwierige Frage (lacht)! Ja, ich spiele sehr oft und dadurch, dass ich ungefähr 100 Tage im Jahr coache und ungefähr 150 Konzerte spiele, bleibt sehr, sehr wenig Zeit zum Üben. Wobei ich ja auch mit meinen Schülern spiele und über mein eigenes Spielsystem nachdenke, dadurch habe ich eigentlich immer eine Überprüfungssituation, könnte man sagen. Mein Coaching funktioniert ja auch nur dann, wenn alles auch anwendbar ist. Darum ist es quasi eine Art Üben, wenn ich coache.
Deine musikalischen Vorlieben galten schon früh dem Jazz, Soul und Funk. Wer hat dich hier besonders beeindruckt?
Blood Sweat & Tears, Kool & the Gang, Earth Wind & Fire. Dann hörte ich mit 16 Maynard Ferguson. Es war eine Zeit in der man, wie soll ich sagen, einen guten Zugang hatte zu hohen Tönen auf Trompeten (lacht). Es hat mich sehr beeindruckt, wie er mit seiner Big Band gespielt hat. Später hörte ich Mel Lewis Platten, mit ihm spielte ich 1986 zum ersten Mal in der WDR Big Band. Mich hat total beeindruckt, wie er Schlagzeug spielt. Joe Zawinul habe ich auch immer bewundert. Mit ihm war ich auch auf Tour. Maceo Parker ist auch genau meine Richtung. Ich habe gerade eine CD mit dem Titel „Jackson Trip“ veröffentlicht, die im Style von Parker ist, allerdings mit der Musik von Michael Jackson, instrumental. Ich habe mich eigentlich nie wirklich als Jazzmusiker gefühlt, sondern einfach als Musiker.
Gibt es eine Musikrichtung, die du gar nicht spielen würdest?
Ich habe viel ausprobiert, sogar Neue Musik. Die habe ich völlig abgelehnt, da bin ich reingeschlittert. Da konnte jemand nicht, der hat mich angerufen und sagte: „Ach komm, geh’ doch da hin. Gibt auch Geld.“ (lacht) Dann bin ich zwei Jahre dabei geblieben, weil ich das nicht spielen konnte. Und das hat mich geärgert, so habe ich angefangen das zu üben. Als ich das Gefühl hatte, es zu können, habe ich aufgehört, weil es mein Herz überhaupt nicht berührt. Dixieland mag ich auch nicht so gerne, habe ich aber trotzdem schon öfter mal gespielt.
Was macht die Trompete so attraktiv für dich?
Das habe ich mich schon öfters gefragt, denn als Sechsjähriger hatte ich schon eine Plastik-Trompete am Arm hängen, auf dem Karnevalszug. Es heißt immer: „Anscheinend wolltest du schon mit sechs Trompete spielen“. Aber zuerst musste ich Blockflöte spielen, was ich fürchterlich fand. Mit knapp neun Jahren durfte ich dann mit der Trompete anfangen. Ich habe im Fernsehen Max Greger gesehen und da hat jemand in der Band ein Trompetensolo gespielt. Ich weiß nicht, vielleicht war es das Gold der Trompete, irgendetwas hat mich da so fasziniert, der helle Klang vielleicht, dass ich dachte: „Das will ich auch.“ So richtig den Ausschlag hat aber ein Konzert von Maurice André in Nürnberg in der Kirche gegeben. Klassische Musik fand ich wundervoll. Er hat „Minuet and Badinerie“ von Johann Sebastian Bach gespielt und es hat mich so weggerissen wie man sowas spielen kann, dass ich mit meiner Mutter direkt zu ihm bin und mir ein Autogramm geholt habe. Auf eine Platte, die habe ich noch Zuhause. Das hat den Ausschlag gegeben, dass ich Trompete spielen wollte.
Wie wichtig war das Klassische Trompetenstudium für deine Karriere?
Sehr, sehr wichtig. Mein Lehrer Robert Platt hat bei den Berliner Philharmonikern gespielt und wollte mich dazu bringen, ins Orchester zu gehen. Aber irgendwie hat mir die Mentalität nicht gefallen, diese Hierarchie zwischen Streichern, Bläsern und Schlagzeugern. Fand ich alles komisch. Ich hatte das Gefühl, dass sich die Streicher zu intellektuell schätzen, vielleicht ist es auch wirklich so. Blechbläser trinken lieber Bier, werden im Blasorchester oder der Kapelle groß. Streicher kommen normalerweise aus einer akademischen Familie und bekommen ein teures Instrument geschenkt, müssen dann aber auch Karriere machen. Aber wie war nochmal die Frage?
Ach ja, das Studium ist insofern total wichtig: Ich habe 1984 angefangen, in Köln in einem Aufnahmestudio zu spielen. Alles von Heino über Oleta Adams bis Paul Kuhn Sinfonieorchester. Das ging nur deshalb, weil ich die Ausbildung hatte. Ich wäre mit nur Klassik, nur Jazz oder nur Funk oder Soul nie dahin gekommen und hatte dadurch die Möglichkeit, mich auf allen Gebieten weiterzubilden. Das Problem bei Jazztrompetern ist oft, dass sie nicht richtig ausgebildet sind. Sie haben ihren Sound gefunden, der hat auch immer was Spezielles. Ich weiß nicht, ob man das so gemein sagen darf, aber es ist manchmal ein aus Inkompetenz geborener Sound.
Was genau machst du bei den Einzelcoachings?
Mit den richtig, richtig guten Teilnehmern geht es um Phrasierungen, vielleicht um Jazz spielen, um Improvisation. Aber in 95 Prozent aller Fälle geht es um die Ansatztechnik. Es geht immer um den nächsten Schritt. Was muss ich selbst machen, um besser zu werden? Abgesehen davon habe ich ein paar Ideen über Trompete spielen, die sehr gut funktionieren in der Übertragung. Ich kann hier etwas Vermitteln, weil ich schon einiges an Erfahrung als Lehrer gesammelt habe, aber auch weil ich selbst alles lernen musste. Ich bin kein Naturtalent, ich habe fast alles umgelernt, neu gelernt und so kann ich auch viele Fragen beantworten, weil ich das Problem schon kenne. Man sagt ja über viele Lehrer, die Naturtalente sind, dass sie einem relativ wenig beibringen können, weil sie das ja schon immer konnten. Das gibt es auch bei Tennisspielern. In Deutschland war das Boris Becker, wo viele gesagt haben: „Der weiß gar nicht, wie das geht, der haut da nur drauf.“ (lacht)
Wie unterscheidet sich eine Yamaha-Trompete von anderen?
Irgendwann zu Beginn habe ich auf eine Bach-Trompete gewechselt. Da gab es die „ML 37 Bach-Stradivarius“, die jeder spielen wollte. Das war relativ einfach. Wenn man das kauft, dann hat man ein gutes Instrument. Das hat solide 1.500 oder 1.800 Mark gekostet. Dann kamen irgendwann Calicchio Trompeten aus den USA und verschiedene andere Instrumente, die man hätte spielen können. Schagerl habe ich eine Zeit lang gespielt. Vor zirka 15 bis 20 Jahren haben dann die Yamaha-Trompeten durch die Xeno-Serie vieles verändert. Es wurde unheimlich viel investiert in Legierungen und verschiedene Mundrohre. Man hat auch sehr viele Trompeter in die Produktion eingeschlossen und sie gefragt, wie sie das Instrument bauen würden. Deswegen gibt es ein sogenanntes „Signature-Modell“, welches sich immer weiter nach oben entwickelt hat. Darum ist für mich die Wahl, Yamaha zu spielen, relativ klar. Sie haben einfach sehr, sehr viele gute Instrumente. Du findest für jeden Spieler das richtige, egal ob du viel Kraft hast oder wenig. Es gibt eine ganze Palette, eine gute Auswahl.
Du hast mit unzähligen großartigen Musikern zusammengespielt. Was nimmt man für sich selbst mit? Außer vielleicht Freundschaften.
Mit den Künstlern selten, muss ich sagen. Ich habe mit Shirley Bassey gespielt und die habe ich gar nicht kennengelernt, weil sie nicht einmal guten Tag sagt zur Band. Sie weiß gar nicht, wer da spielt. Udo Jürgens würde ich auch eher als eine schwierige, abgedriftete Persönlichkeit bezeichnen. Da war es auch so, dass nicht wirklich Nähe entsteht. Mit den Musikern ist das anders. In Bands wie zum Beispiel Pepe Lienhard oder auch der WDR Big Band ist es oft so, dass eine eingeschworene Gemeinschaft entsteht und du wirklich Freundschaften mitnimmst. Bei den Künstlern ist es etwas schwieriger. Sehr unterschiedlich. Mich hat eine Freundschaft mit Caterina Valente verbunden, aber jetzt habe ich keinen Kontakt mehr. Sie ist eine fantastische Persönlichkeit, die auch die Namen meiner Kinder kennt, da gibt es wirklich eine Beziehung. Was ich gelernt habe: Wenn man sehr weit oben ist, kann man den Kontakt zur Realität verlieren. Manchmal denke ich bei Künstlern: „Der Planet ist sehr weit draußen.“ (lacht)
interview | petra ortner
web | ruedigerbaldauf.de