Chopin im Spiegel der Kulturen: Schlesien mit der Stadt Zabrze zu Gast.

Schlesisches Tanzensemble bei der feierlichen Eröffnung Foto: Privat
von robert voglhuber
Das polnische Schlesien mit der Stadt Zabrze und seinem Symphonischen Orchester der Philharmonie und das Tanz- und Gesangsensemble „Maly Ślask“ waren heuer beim Chopin-Festival in der Kartause Gaming zu Gast sowie Solisten und Ensembles aus Österreich, Polen, Frankreich, Kosovo und Korea. Zudem wurden sogar drei niederösterreichische Kompositionen zu Ehren F. Chopins im Rahmen der Festivalkonzerte uraufgeführt. Ein Höhepunkt folgte dem anderen. Hätte man nur einen dieser drei wundervollen Tage versäumt, wäre es eine Unterlassungssünde gewesen. Der prachtvolle historische Gebäudekomplex wurde heuer zu nächtlicher Stunde vom Lichttechnik-Team der HTL Wiener Neustadt festlich illuminiert. Schon der feierliche Einzug in den Prälatenhof am Freitag Nachmittag mit dem Schlesischen Tanz- und Gesangsensemble „Maly Slask“ und der Goldhauben- und Trachtengruppe Lackenhof ließ erahnen, was an Sensationen auf einen zukommen wird. In der Kartausenkirche spielte die Philharmonie Zabrze auf. Gleich nach der Ouvertüre zu Figaros Hochzeit von Mozart folgte die Uraufführung von „Dark Matter“, einer symphonischen Dichtung von Peter Kotauczek / Kurt Schmid, die dem Namensgeber des Festivals, F. Chopin, gewidmet ist. Zu Chopin-Variationen griff der französische Starpianist Yves Henry in die Tasten. Dann erklangen zwei Filmmusiken von Wojciech Kilar. Traumhaft schön und so herrlich einschmeichelnd.
Wunderkinder on stage
Das Dinnerkonzert am Samstag ließ mit Naturtalenten der ganz jungen Generation aufhorchen. Die erst 12-jährige Hanna Zofia Slota überzeugte mit einem Chopin-Walzer und die 14-jährige Oliwia Milek zeigte mit einer Nocturne ihr frühreifes Können. Der Wiener Neustädter Pianist Markus Aubrecht erging sich kennerisch auf der Tastatur in einer Hommage für Chopin, die Michael Salamon komponierte. Das dreiteilige Werk wurde uraufgeführt; es geht von links bis schräg und sprengt sämtliche Hörgewohnheiten der traditionsbewussten Chopin-Liebhaber.
Tastenkunst bei Kerzenlicht
Das nächtliche Konzert „Nocturno“ bei Kerzenlicht in der prachtvollen Barockbibliothek der Kartause Gaming zählt alljährlich zur beliebtesten Veranstaltung des Chopin-Festivals. Das diesjährige „Nocturno“ stand ganz im Zeichen der Beziehung von Chopin und der französischen Dichterin George Sand in Nohant von 1839 – 1846. Ort des Geschehens ist ein schlossähnliches, behagliches Landhaus etwa 250 km südlich von Paris. Liliana Niesielska las zwischen den einzelnen musikalischen Programmpunkten Textpassagen zu den damaligen Ereignissen. Den Auftakt zum Nocturno machte das Streichquartett der Philharmonie Zabrze. Dann setzte sich abermals Markus Aubrecht an den Flügel. Er verstand es, dem Charakter zweier Walzer und einer Nocturne von Chopin mit erstaunlicher Stilsicherheit und feinem Gespür auf den Grund zu gehen. Weiters bewiesen Sanghee Cheong, Violine, und Natalie Rehling, Klavier, ihr technisches Können. Auch virtuos in der Darbietung Sophie Druml und Lule Elezi. Der große Star des Abends, Yves Henry, überzeugte mit Einfühlungsvermögen und subtilen Phrasierungen auf der Tastatur.
Beim Matinée Jeunesse am Sonntag versetzten hochbegabte PreisträgerInnen des österreichischen Jugendwettbewerbs „prima la musica“ und zwei preisgekrönte junge Pianistinnen aus Zabrze das Publikum in Staunen. Viel Applaus ernteten das Ensemble I&K und die schon erwähnten Wunderkinder an den Tasten, Hanna Zofia Slota und Oliwia Milek.
Musik vom Herzen und technisch anspruchsvoll
Sie spielten Chopin und E. Grieg; eine Musik vom Herzen zum Herzen. Auch bewegt war die Zuhörerschaft von der technisch äußerst anspruchsvollen Darbietung des erst 15-jährigen Marsyas Odysseas Panetsos.
Vor dem absoluten Höhepunkt der Kartausenkonzerte bot das MaSeda Trio die erste vollwertige Komposition Beethovens; er war erst 23, wie die Moderatorin der Matinée, Angelika Persterer-Ornig, verlautete. Anschließend ließ im Gegenwurf zu Beethovens Klassik das Trio heißen Rhythmen Argentiniens von Astor Piazzolla erklingen.
Das „Match“ nimmt an Fahrt auf, hochklassisch auf Augenhöhe, aber zurück zu Chopins berühmtester Komposition: die Polonaise, Heroique in A-flat minor, Op 53. Am Flügel die geniale, begnadetet junge polnische Pianistin Natalia Rehling: zum Niederknien! Eine Wucht!! Im Ansatz spielt sie lyrisch, gewichtet sanft ihre emotionalen Züge, wird energiegeladen, erhöht und verlangsamt das Tempo in perfekter Abstimmung. Ein Ohrenschmaus der Sonderklasse! Natalia Rehling steuert das Chopin-Programm dem musikalischen Höhepunkt entgegen.
Charmant pfötelt sie über die 88 Tasten, stürmt nicht gleich forsch hindurch, ihr Timing und ihre Phrasierung sind für unsere Gehörsknöchelchen eine Wohltat; beglückt uns mit dem wahrhaftesten Chopin-Schmankerl. Das hat gereicht. Aufmunternder Applaus. Wir haben Tränen in den Augen. So vollkommen! Begeistert verlässt die Fangemeinde den herrlichen Barocksaal. Für nächstes Jahr ist heute schon der Kartenverkauf gesichert. Den musikalischen Ausklang erleben wir am Abend auf der Lunzer Seebühne. Das Ensemble JAZZGOT setzte mit Traditionals einen würdigen Schlusspunkt. Echt toll, sogar das Wetter hat mitgespielt.