Endorphin-Junkie
Alf Poier. Man kennt ihn in erster Linie als Kabarettist, er ist aber ebenso Philosoph, Musiker und Maler. Nach einer Zwangspause wegen gesundheitlichen Problemen feiert er heuer nicht nur seinen 50. Geburtstag, sondern auch sein 20-jähriges Bühnenjubiläum, mit neuem Elan und dem neuen Programm „The making of DADA“.
interview: petra ortner

Foto: Dietmar Lipkovich
Wie geht’s gesundheitlich?
Mit dem Magen ist wieder alles super, da hatte ich wirklich Glück. Jetzt musste ich aber noch eine Kieferoperation über mich ergehen lassen. Ich spürte zwar nichts davon, aber mein Zahnarzt hat eine Zyste im Kieferknochen, der relativ dünn ist, entdeckt. Die Gefahr ist, dass der Knochen durch die Zyste bricht, darum hat man mir ein Eisenteil implantiert. Ich musste aufhören zu rauchen, damit die ganze Geschichte ordentlich heilen kann. Das waren so meine Probleme. Aber alles andere, diese chronische Magenentzündung, habe ich wieder in den Griff bekommen.
Bist du deshalb jetzt langsamer, ruhiger?
Im Privatleben hat sich soweit gar nichts verändert, eigentlich. Nach 20 Jahren Vollgas Nachtleben habe ich ganz einfach einmal eine Pause gebraucht. Das war, glaube ich, der wichtigste Faktor. Mit den ganzen herkömmlichen Mitteln habe ich die Sache nur kurzfristig in den Griff bekommen und dann bin ich zu ich weiß nicht wie vielen verschiedenen Ärzten gelaufen, habe alternative Methoden probiert, aber es hat alles nichts geholfen. Bis ich alle Medikamente in den Mistkübel entsorgt und einfach gewartet habe.
Jetzt bist du mit neuem Programm auf Tour. Wie ist es, wieder da zu sein?
Das hat mir wahnsinnig gefehlt, muss ich sagen. Es ist einfach der schönste Beruf der Welt, ganz ehrlich. Ich bin ja ein Endorphin-Junkie geworden in all diesen Jahren. Zuerst durch meine Nationalteam-Lauftätigkeit und den Weltmeisterschaftslauf. So Sinnlos das auch ist. Wenn ich heute darüber nachdenke, glaube ich, dass es damals schon wegen der Endorphine war. Ich hatte immer Berufe, wo ich viele Endorphine freigesetzt habe. Wenn man das nicht hat, liegt man zuhause auf der Bank und es ist alles ein wenig lasch. Darum ist die Bühne hundert Prozent Leben für mich.
Das neue Programm hat sich zufällig ergeben. Ich wurde von den Veranstaltern des Österreichischen Tagebuchtages kontaktiert und gefragt, ob ich nicht aus meinen Tagebüchern vorlesen möchte. Zuerst dachte ich „Was soll denn das sein? Naja. Lese ich halt ein bisschen was.“ Gleichzeitig habe ich in der krankheitsbedingten Auszeit ein Buch gemacht, in dem ich meine bildnerischen Hauptwerke zeige. Beim Tagebuchtag gab es die Möglichkeit, das zu präsentieren. Tagebücher lesen und Präsentation haben zusammen so gut funktioniert, dass ich mir dachte, damit kann ich auch auf Tour gehen. Bis jetzt klappt das super. Ich hätte nie geglaubt, dass die Leute so toll darauf reagieren.
Also kein Kabarettprogramm, sondern mehr eine Lesung?
Ich sehe es nicht als Kabarett, aber ich habe schon ein wenig daran gearbeitet und nicht einfach alles so runtergelesen. Es ist auch keine Lesung in dem Sinn. Ich lese ein wenig, erzähl‘ ein wenig und so weiter. Es ist so authentisch geworden, dass es anscheinend richtig lustig ist. Für mich war es eigentlich nichts Besonderes, aber offenbar für die Leute. Aber wie ich als Jugendlicher so drauf war, da muss ich manchmal selbst lachen, was ich damals für ein verwirrtes und durchgeknalltes Leben geführt habe. Fürchterlich!
Muss man für eine Karriere als Kabarettist ein wenig durchgeknallt sein?
Durchgeknallt ist der falsche Ausdruck. Ich habe tausend verschiedene Dinge probiert, hatte ein unstetes Leben, bis ich in eine Depression reingekippt bin und betteln gegangen bin. Irgendwann ist mir im Kopf klar geworden, dass nicht ich verrückt bin, sondern die Welt da draußen. Ich habe dann ein Pamphlet an die Unvernunft geschrieben und plötzlich Zeichen bekommen, irgendwie gegen diese Welt zu arbeiten. Vieles entsteht, sagen wir mal, aus einer metaphysischen Verzweiflung von mir, weil ich wahnsinnig viel aus der Psychologie und Philosophie gelesen habe. Nach der Handelsakademie und Vorstellungsgesprächen bei diversen Firmen dachte ich irgendwann: „Entweder sind die verrückt oder ich bin es, aber irgendetwas stimmt hier nicht auf dieser Welt.“ Jedenfalls aus meiner Sicht. Das war dann auch der Motor für meinen weiteren Weg. Um die Welt zurechtzurücken.
Ist das neue Programm „The making of DADA“ so richtig dadaistisch?
Ja, schon. Meine Kunst wurde eindeutig dem Dadaismus zugeordnet. Ich habe ja im Bank Austria Kunstforum in Wien ausgestellt, was für mich eine Sensation war, denn da werden Monet, Picasso, Klimt, Schiele und solche Künstler ausgestellt. Als ich gefragt wurde, meinte ich erst: „Bist du wahnsinnig, schau mal wer dort sonst zu sehen ist.“ Es kamen Kuratoren, haben mein Werk begutachtet und eindeutig als Dadaistisch eingeordnet und seitdem werde ich als Dadaist gehandelt. Jetzt gibt es so Kunstpressen, wo es das Ganze auch zu kaufen gibt.
Wann und warum hast du zu malen begonnen?
1991 hab‘ ich damit begonnen, damals habe ich in Graz studiert und wollte Lehrer werden. Eigentlich war die Handelsakademie daran schuld, weil ich in den fünf Jahren dort kreativ auf dem niedrigsten Niveau gehalten worden bin. Eines Tages hab‘ ich dann Farben gekauft, damit herumgeschmissen, gleichzeitig Schlagzeug gespielt und hatte so meinen künstlerischen Ausbruch. So hat es damals angefangen.
Jetzt feierst du dein 20-jähriges Bühnenjubiläum. Was waren die drei wichtigsten Punkte in dieser Zeit?
Natürlich war der Songcontest ein großer Karrieresprung. Vom Bekanntheitsgrad, nicht von der Qualität her. Dann wahrscheinlich auch, dass ich ganz am Anfang einen Deal bekam bei der Plattenfirma EMI, da konnte ich ein wenig was machen. Und die großen Kabarettpreise, die ich bekommen habe, auch in Deutschland. Deutscher Kleinkunstpreis, Österreichischer Kleinkunstpreis, RTL Comedy-Award, Salzburger Stier, alles was es an großen Auszeichnungen für Kabarett und Comedy gibt, eigentlich.
Welchen Wert haben die Auszeichnungen für dich?
Für mich war immer wichtig, welche Art von Auszeichnungen das sind, denn auch die Politik – egal aus welchem Lager – ist an mich herangetreten und wollte mich mit Preisen überhäufen. Ich hätt‘ mir das Geld abholen müssen, doch da habe ich immer gesagt: „Das interessiert mich nicht.“ Sie sollen das Geld lieber auf der Kärntnerstraße verteilen, denn ich lasse mich nicht kaufen. Aber die Preise, die ich bekommen habe, werden von Fachjurys vergeben, wo nichts geschoben worden ist. Jedenfalls weiß ich nichts davon. Da wird man wirklich für seine Arbeit und künstlerische Leistung bewertet. Das hat eine ganz andere Relevanz als wenn da irgendein Politiker kommt oder man von irgendeiner Stadt ein Ehrenabzeichen bekommt. Sowas interessiert mich überhaupt
nicht.
Was machst du auf der Bühne bei einem Blackout?
Das ist mir schon öfter passiert. Früher hatte ich bis zu 200 Shows und während man das Programm spielt, kommt man gar nicht so viel zum Nachdenken, was manchmal ganz schön hart ist. Wenn man dann rausfällt, weiß man gar nicht, wo man eigentlich war. „Scheiße, da war irgendein Text, aber was?“ Wenn man weiß, wo man war, dann weiß man meistens auch wie es weitergeht (lacht). Es gibt dann einen Techniker, der das Programm schon 300 Mal gesehen hat und ein Wort in die Menge schreit. Ich habe auch meistens, wenn viel zu merken ist, irgendwo meine Unterlagen versteckt und wenn es ganz, ganz hart kommt, kann ich da nachsehen. Aber im Normalfall passiert das nicht. Sag ich mal.
Im Februar feierst du deinen 50. Geburtstag. Irgendwelche Pläne?
Ja, fürchterlich! Ich hatte vor kurzem mein 30-jähriges Maturatreffen und muss echt sagen: Lauter alte Leute (lacht)! Mit meiner Freundin war ich in Urlaub auf Sri Lanka. Außerdem habe ich ein neues Lied produziert, das schenke ich mir selbst. Dazu werde ich noch ein Video produzieren. Aber große Feierlichkeiten gibt es eher nicht, ich war noch nie so der Feierer. Private Feste nerven mich eher. Voriges Jahr habe ich es wieder einmal probiert und sagte noch: „Bitte keine Geschenke. Essen und Trinken ok, aber keine Geschenke.“ Die Leute halten sich leider nicht daran. Da bekommt man Klumpert geschenkt und muss sich dafür bedanken und das nervt mich. Weil ich das meiste gar nicht will. Ich feiere mit meinem neuen Lied und der Reise.
Hast du Angst vor dem Alt werden?
Vor dem Alt werden nicht, vor dem Leiden hab‘ ich Angst. Ich habe auch vor dem Sterben nicht Angst, obwohl das die häufigste Todesursache ist. Aber vor dem Leiden. Ich lebe ja ein sehr junges Leben, und ein sehr unstetes, was mich auch jung hält. Aber schön langsam fängt es dort und da zu zwicken an. Jetzt die Kieferoperation und durch meine Läuferkarriere merke ich kleine Abnutzungserscheinungen bei den Zehen. So Kleinigkeiten kommen jetzt schon. Mir steht mittlerweile die Wampe schon mehr als der Schwanz (lacht). Also das war jetzt etwas übertrieben, aber so Sachen kommen halt. Meine Oma hat immer gesagt: „Alt werden ist nichts Lustiges.“ Und meine Verwandten werden alle uralt! Meine Oma war über hundert. Wenn ich jetzt auch noch zum Rauchen aufhören muss, werden mir auch noch ein paar Jahre bleiben. Aber so lange ich merke, dass mit den jungen Mädels auch noch was geht, also dass ich da noch Anklang finde, so lange ist noch alles in Ordnung. Da gibt es noch einiges zu erleben, glaube ich.
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20.03. Wien, Orpheum
25.03. Bad Hall, Stadttheater
12.04. Wien, Kulisse
05.05. Tulln, Danubium
02.06. Linz, Posthof