momag 339 | MÄRZ 2016

simon roth | Purgstall simon@momag.at D ass es für das Zusammenleben aufgrund komplexer Wechsel- beziehungen der belebten wie un- belebten Natur Menschen braucht, die sich hauptberuflich mit der mög- lichst vernünftigen Ausgestaltung dieser beschäftigen – ok, hat zwar ein bisschen gebraucht, aber jetzt sehe ich das ein. Tiefere Gedanken über den Sinn einer politischen Klasse lassen dann auch noch Argumente wie transnati- onale Austausch-Regelungen für den Waren- oder Personenverkehr nach- vollziehbar erscheinen. Ok, stop, das klingt heute leider schon verdächtig. Transnationale Handelsbeziehungen – schnell ziehen skrupellose Konzerne, Investorenschutz und Lohndumping vor dem geistigen Auge auf. Gleiches Recht für alle und so, jaja. Politiker haben ein Glaubwürdig- keitsproblem. Längst kann jedes Kind mindestens einen Korruptionsfall ei- ner Partei zuordnen. Um sich vollends von der Politik abzuwenden, reicht es dann, die heimischen Politikdarsteller in ihrer Anbiederung an die zurecht Empörten und Verängstigten zu be- trachten. Der Eindruck entsteht, dass kaum jemand der aktuellen Entschei- dungsträger nach Wissen oder Gewis- sen handelt. Das offensichtliche Kal- kül besteht darin, den durchschnitt- lichen Österreicher – befeuert durch recht einseitige Berichterstattung in der beachtlichen Zahl an gedruckten Gratis- bzw. Umsonstblättern – nach dem Mund zu reden und es so mög- lichst allen recht zu machen. Aber lei- der grundfalsch. Das kann der schöne Hazeh besser. Die schiere Verzweif- lung der ÖVP dokumentiert auch ihr Wahlkampfthema: die Senkung der Mindestsicherung. Das legt brutale Bürgerlichkeiten frei und bedeutet Stimmenfang auf dem Rücken der Ärmsten. Kein Politiker kann sich vor- stellen, was die Kürzung von 200 Euro für eine Familie bedeutet, die jeden Euro dreimal umdrehen muss. Was das in Menschen bewirkt, die glau- ben, faule Flüchtlinge bekommen die Euros nur so nachgeschmissen, zeigen die brennenden Flüchtlingsheime in Clausnitz und Bautzen. Wir brauchen Menschen in der Politik, die Brutalität vorhersehen, abfedern und umlenken können – nicht welche, die sich nur dadurch an der Macht halten. £ panoptikum Politik brutal  literatur Suchtfaktor Krimi Christian Klinger. Der Wiener Autor bereichert mit ausgefeilten, hintergründigen und bis auf die letzte Seite spannenden Werken den Büchermarkt. Mit dem momag sprach Klinger darüber, was einen guten Krimi ausmacht und warum Krimischreiben auch eine Therapiemöglichkeit sein kann. interview: doris schleifer-höderl Der studierte Jurist Christian Klinger (50) schreibt seit elf Jahren Krimis. Zunächst führte er die Figur des Alfons Seidenbast in die heimische Krimiszene ein, 2009 folgte der Privatermittler Marco Martin. Zunächst erschaf fen für die „Presse am Sonntag“ 5-Minuten-Krimis, ermittelt MM seit 2012 in Romanlänge beim Steinverlag – sehr zur Freude einer stetig wachsenden Zahl an Lesern. Mittlerweile sind drei Krimis mit Marco Martin erschienen: „Winzertod“, „Gleichenfeier“ und „Bühnentod“. ZUR PERSON web | christian-klinger.at Lesen Sie selbst gerne Krimis? Grundsätzlich ja, das war vermutlich mit ein Grund, warum ich selbst mit dem Schreiben begann. Als Kind war ich garantiert kein Lese- freund, dazu wurde ich erst in der Schule. Da haben mich aber eher historische Roma- ne interessiert. Ich gebe zu, krimiaffin wurde ich durch Donna Leon, sie hat mich sanft in das Genre hineinge- führt. Auch die Bücher von Magdalen Nabb haben mich ungemein gefesselt. Was fasziniert Sie so an Krimis? Das psychologische Spiel. Ein Fan von extrem blutrün- stigen Romanen, wo auf je- der Seite mehrere Menschen abgeschlachtet werden, bin ich nicht. Genauso wenig mag ich Krimis, bei denen alles an- dere im Vordergrund steht, nur nicht die Tat und deren Auflösung. Ein guter Krimi besteht aus faszinierenden Charakteren, nervenaufrei- bender Spannung und einem Rätsel, so dass du Seite für Seite weiterliest. Ist es naheliegend, dass man als Jurist irgendwann damit beginnt, Krimis zu schreiben? Bei einem Mediziner wäre es wohl noch naheliegender! Ich habe eigentlich neben der Rechtswissenschaft immer Musik gemacht, war Bassist in mehreren Bands, bevor sich die letzte Formation Anfang der 2000er Jahre auflöste. Plötzlich hat sich ein krea- tives Loch aufgetan und mir ist etwas abgegangen. 2003 habe ich mir dann meinen ersten Laptop gekauft und wie ich so auf der Terrasse in meinem Garten in Kloster- neuburg gesessen bin, kam mir spontan die Idee, einen Krimi zu verfassen. In einem »Ich glaube, es steckt in jeder Figur – auch im miesesten Schuft und windigsten Charakter – auch ein Quentchen vom Autor selbst drinnen.« momag 339 | märz 2016 52 | mostvier tel magazin

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