momag 349 | MÄRZ 2017

fritz haselsteiner | Waidhofen/Ybbs Kulturkritiker, fritz@momag.at ausstellung | noch bis 5.6.2017 Nationalbibliothek, Josefsplatz 1, 1010 Wien www.onb.ac.at O b heute beim Fleischhauer die Gattin eines Arztes noch als Frau Doktor angesprochen wird, obwohl sie nur mit einem verheiratet ist, weiß ich nicht. Ich kann mich aber gut an solche Beispiele – wahlweise auch Frau Hofrat, Frau Dipl.Ing. – in meiner Jugendzeit erinnern. Rangordnung und Titel haben zu allen Zeiten eine große Rolle gespielt. Bestes Beispiel dafür ist unsere „Kai- serin“ Maria Theresia, sie soll sich ger- ne mit „Kaiserin“ ansprechen haben lassen. Und zweifelsohne war sie als Königin von Böhmen und Ungarn, Erz- herzogin von Österreich, Gräfin von Tirol usw. „Habsburgs mächtigste Frau“ , wie der Untertitel der im Fe- bruar im Prunksaal der Österreichi- schen Nationalbibliothek eröffneten Ausstellung lautet, aber eben „nur“ die Gattin von Kaiser Franz Stephan I. von Lothringen. Das soll ihre Leis- tungen für ihre Länder keineswegs schmälern und anlässlich ihres 300. Geburtstags (13. Mai 1717) wird sie auch dementsprechend gewürdigt. Die Nationalbibliothek präsentiert mit 160 Bildern, Druckwerken und Handschriften – manche sind erstmals öffentlich zu sehen – in 16 Stationen Leben und Nachleben der Herrsche- rin in den unterschiedlichsten Facet- ten. Ihre politischen Erfolge kommen ebenso zur Sprache wie ihre Krisen und Kriege, ihre Rolle als strenggläubige Katholikin, Ehefrau, Mutter und auch als Sängerin. Dabei werden manche ihrer Schattenseiten, wie etwa ihre religiöse Intoleranz und ihr Antise- mitismus, nicht ausgespart. Wie sehr Maria Theresia nach ih- rem Tod zum Mythos wurde, zeigt sich an den zahlreichen Denkmälern, Theaterstücken und Filmen. Heraus- ragendste Objekte für mich sind ein großformatiger Kupferstich zum Erb- huldigungszug im Jahr des Regie- rungsantritts 1740, ein Verzeichnis verbotener Bücher als Zensurmaß- nahme, die „Institutio archiducalis“, das sind Unterrichtstafeln zur Erzie- hung der Kinder, sowie die „Pein- liche Gerichtsordnung“, mit der ein einheitliches Strafrecht in der Mo- narchie geschaffen wurde. £ kulturnotizen „Kaiserin“ Maria Theresia?  kunst Die Ästhetik des Hässlichen ausstellung | bis 18.6.2017 täglich 10–18h, Mi 10–21h Albertinaplatz 1, 1010 Wien 01 534830, info@albertina.at www.albertina.at zählt zu den bedeutendsten österreichischen Künstlern; seine Arbeiten erzielen bei Auktionen Höchstpreise. Sei- ne radikale, schonungslose Darstellung des menschli- chen Körpers, vor allem von nackten Frauen, rückte ihn für manche Betrachter in die Nähe von Pornografie. Diese missverständliche, eindimen- sionale Sichtweise zurecht- zurücken und auf Schieles vielfältige Inspirationsquel- len hinzuweisen, darin sieht Klaus Albrecht Schröder als Kurator ein wesentliches Ziel dieser Ausstellung. Der entwurzelte Mensch Ein Blick auf Schieles künst- lerischen Werdegang ermög- licht ein besseres Verständ- nis. Nach dem Studium an der Akademie wendet er T rotz einer kaum zehn Jahre dauernden Phase künstle- rischen Schaffens in seinem nur 28-jährigen Leben (1890 – 1918) hat Egon Schiele über 330 Gemälde und über 2.500 Zeichnungen hinterlassen. Davon zeigt die Albertina insgesamt 160, zum größten Teil aus eigenem Bestand, er- gänzt durch 20 Leihgaben. Bis nach dem Zweiten Welt- krieg nahezu vergessen, gilt Schiele heute als einer der Begründer des österreichi- schen Expressionismus und »Die Figur ist doch das Wesentliche, das, was mich am meisten erfüllt: der menschliche Körper.« Egon Schiele, 1918 von fritz haselsteiner anton josef trcka momag 349 | märz 2017 60 | mostvier tel magazin

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