momag 377 | Winter 2019/20
Jeder von uns kann was tun! Suche nach einer Antwort, habe mit Experten gespro- chen, Studien und Bücher verschlungen, das Internet durchgeackert und unzäh- lige Handy-Akkus leertele- foniert. Meine Erkenntnis: Auch Österreich wurde erst relativ spät zu dem, was es heute ist. Nämlich eines der reichsten Länder der Welt. Erst als ich geboren wurde, 1990, hatte das Land den wirtschaftlichen Rückstand etwa gegenüber Großbri- tannien aufgeholt. Und: Eu- ropas Reichtum basiert zum größten Teil auf Ideen. Ob man sie selbst hat oder nur kopiert, ist in unserer offe- nen Welt nicht so wichtig. Ob sie aber Fuß fassen, darüber entscheiden die Spielregeln in einem Land, und die ent- wickeln sich historisch eben langsam. Was kann nun jeder von uns tun? Ich habe gemerkt, man kann am besten dort helfen, wo man sich selbst am besten tigste Sache auf der Welt, Armut zu lindern. Doch mit 20 war das zugegeben ein großes Ding. So schrieb ich mich auf der Uni für Öko- nomie und internationale Entwicklung ein, studierte, debattierte, dachte nach und schrieb. Antworten auf meine Fragen bekam ich nie, merkte jedoch, dass mir das Schreiben gefiel und machte es zu meinem Beruf. Die Fra- ge, warum es im 21. Jahrhun- dert noch immer so viele arme Menschen auf der Welt gibt, bohrte weiter in mir. Ich habe dann ein halbes Jahr in Peru Sozialarbeit geleistet und die Idee zum Buch war da. Ich machte mich auf die matthias cremer mostviertorial Ruhe & die elektrische Zahnbürste peter brandstetter | Petzenkirchen peter@momag.at I m Winter ruht die Natur. Sie hat ihre Systeme heruntergefahren, spart Kraft und Aufwand. Wälder und Wiesen sind nicht faul in dieser Zeit; sie tun nur wenig, weil eben grad nix geht! Zu wenig Sonne, zu wenig Wärme; da ist es notwendig, den Ball flach zu halten, um die Substanz zu schonen. Klar, die Blätter und Blü- ten müssen fallen; Äste, Stamm und Wurzeln bleiben aber erhalten. Der Mensch hat noch andere Varianten des Nichtstuns auf Lager. Manche fahren mit Standgas, obwohl alles prächtig scheint und Energie und Ressourcen im Überschwang vorhan- den sind; diese Trägen werden schon vom Zusehen müde; und wenn je- mand Engagement und Ehrgeiz zeigt, wird gern über ihn hergefahren und er wird runtergemacht. Auch nicht besser sind jene, die ignorant alle Chancen und Veränderungen vernei- nen. Sie stellen sich tot und tun so, als ob gar nichts passiert. So wie der Vogel Strauß stecken sie den Kopf in den Sand und erwarten, dass alles an ihnen vorüberzieht. Ruhe, Entspannung und tatsächlich „nichts tun“ ist weder einfach noch unproduktiv. Tatsächlich haben wir in diesem Zustand unsere kreativsten Phasen; und wir laden Körper und Geist wieder auf. Wie ein elektrisches Zahnbürstel, das zwar reglos in der Halterung steckt, aber gerade dann mit Energie geladen wird. So gesehen ist Ruhe und Entspannung geradezu eine Konjunktur- und Kraftspritze. Weil wer pausenlos im Hamsterrad läuft, wird irgendwann nix mehr wei- terbringen; wer sich aber regelmäßig ausklinkt und für Abwechslung sorgt, hat später die Möglichkeit, seine PS auf den Boden zu bringen. Im Mostviertel sind Wirtschaft und Natur sehr stimmig aneinanderge- reiht, sodass es ein Leichtes ist, im- mer wieder eine kleine Auszeit zu nehmen: ob rauf auf den Sonntag- berg, um ein bisserl Weitblick zu gewinnen oder entlang von Erlauf, Ybbs und Donau, um Sauerstoff zu tanken. Erfolg, Fortschritt und Zu- friedenheit entstehen nie in einem Klima von Stress und Hektik, weil in der Ruhe liegt die Kraft, wie schon Konfuzius sagte. £ interview: doris schleifer-höderl Alles gut, Andreas?! (lacht) Alles sehr gut! Wir sitzen hier in einem schö- nen Kaffeehaus in Wien und plaudern. Das ist doch lässig. Was brachte dich dazu, unangenehme Fragen zu stellen und nach optimistischen Antworten für eine gerechte Welt zu suchen? Die unangenehmen Fragen waren schon immer in mir. Als ich vor neun Jahren nach Wien gekommen bin, über- legte ich, später einmal in die Entwicklungshilfe zu gehen. In ein ärmeres Land zu zie- hen und vor Ort zu helfen. Für mich war das die wich- »Wenn Recht und Ordnung noch nicht vorhanden sind, brauchen wir über eine wirtschaftliche Entwicklung nicht nachdenken.« momag 377 | winter 2019/20 4 | mostviertel magazin
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