momag 390 | APRIL 2021

Alles, was weil sie da nichts stutzt oder formt. Alles darf hier wach- sen und sein. Alles und jeder. Suche nach spirituellen Wurzeln Nach einer heißen Tasse Kaffee führt uns Sonja in ihr „Zauberzimmer“ und die Gold-Spinnerei, die sich im Erdgeschoss des gemütlichen Hauses befinden. Traumfän- ger, getrocknete Kräuter, Bil- der. Allerhand Zeug, trotz- erste Sekunde fühlt man sich wohl im „Raaben-Nest“, wie die ausdrucksstarke Frau ihr Zuhause nennt – und sich selbst „das Raabenweib“. Auf der rechten Seite ein stylis- her Undercut, auf der linken Seite wunderschöne Wellen im langen Haar, eine dünne, geflochtene Strähne, in der unten eine Feder steckt. Bun- te Socken. Ehrliche Augen. Ein sympathisches Lächeln. Es verwundert nicht, dass dieser Frau für ihr soziales Engagement in der Flücht- lingshilfe 2012 sogar der „Woman“-Award verliehen wurde. Aber auch Nominie- rungen zum „Löwenherz“- Preis des Landes NÖ oder zum „Guten Geist“ in Nie- derösterreich erhielt sie für ihren Einsatz. Mit Freude erzählt sie, dass der Garten im Frühling und im Sommer ganz besonders schön zur Geltung kommt, »Klosterarbeiten sind die Idee, alles, was einem heilig ist, was man als göttlich empfindet, zu schmücken. Die Gold-Spinnerei ist also die Krönung aller heiligen Dinge.« Das pure Leben versus Memento Mori. Die Vergänglichkeit ist ein treibendes Element für das Raabenweib.  fotos: sonja raab kulturnotiz Hirnnahrung Literatur gerhard stubauer | St.Valentin haager@theatersommer.at K ürzlich sind mir ein paar gute Bücher bzw. Bücher-Tipps in die Hände gefallen. Das erste mit dem Titel „König Humbug“ ist eine Bio- grafie von P. T. Barnum – sein Leben von ihm selbst erzählt. Barnum war der Kulturmanager schlechthin im 19. Jahrhundert. Er baute das American Museum zu einem der größten Un- terhaltungstempel aus, zog mit sei- nem Zirkus quer durch Amerika und machte die europäische Sängerin Jen- ny Lind in der neuen Welt berühmt. Eine spannende Erzählung – obwohl aus heutiger Sicht nicht alle seine künstlerischen Ideen als politisch korrekt bezeichnet werden können. Ein weiteres sehr lesenswertes Buch ist jenes von Michael Niavara- ni: „Es glaubt kein Mensch was ein jeder Mensch glaubt, was er für ein Mensch ist“. Natürlich ist der Titel ein Zitat. Von wem? Vom wahrscheinlich besten österreichischen Dramati- ker, Johann Nepomuk Nestroy. Nia- varani beschreibt das Leben dieses kritischen Zeitgeistes, zieht überra- schende Parallelen zu seinem eige- nen künstlerischen Werk und hilft uns auch dabei, die damalige Sprache ins Heute zu übersetzen und Pointen zu verstehen. Es ist eine Niavarani- typische, witzige und geistreiche Lektüre über seine Liebe zum „Wie- nerischen Shakespeare“. Ein weiteres Buch, welches ich zwar noch nicht gelesen hab’, aber meiner Meinung nach trotzdem empfehlen kann, ist jenes des Philosophen Richard David Precht. Mit treffenden Worten bringt er es zustande, seine Leser in die Welt der Philosophie und in die Problemstellungen der heutigen Zeit einzuführen. „Von der Pflicht. Eine Betrachtung“, so lautet der Titel und das Buch handelt davon, darü- ber nachzudenken, was eigentlich die Pflicht des Fürsorge- und Vorsorge- staates gegenüber seinen Bürgern ist und was die Pflicht seiner Bürger ist. Geschrieben im Lichte der Corona- Pandemie, wird das Buch sicherlich für sehr viel Zündstoff sorgen. Be- merkenswert ist, dass gerade Precht seine Wahrnehmung gegenüber der Pandemie zu 180 Grad gedreht hat. Aber wie meinte schon Robert Mu- sil? „Wir irren vorwärts“. £ F rüher waren diese auf- wendigen und „schönen Künste“ ausschließlich der ka- tholischen Heiligenverehrung vorbehalten. In der Basilika am Sonntagberg finden sich zum Beispiel ganze Skelette, die mit Klosterarbeiten ver- ziert wurden. Sonja Raab aber sieht in dieser Disziplin, dem Schmücken von Gegenstän- den, viel mehr: nämlich einen „guten Draht nach oben“. Alles außer gewöhnlich Ihr Haus ist die Basis. Der Ort, an dem sie an der Seite ihrer Familie schafft, wirkt, schreibt, lebt. Schon von au- ßen wird klar, dass hier nie- mand in ein vorgegebenes Schema passen möchte oder soll. Mit einer wohligen En- ergie, die sich mit Worten nicht ausdrücken lässt, öffnet Sonja uns die Tür und grüßt. Ein Willkommenheißen, das man so selten erlebt: Auf die momag 390 | april 2021 38 | mostvier tel magazin

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