Es ist Zeit, zu evaluieren

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[von michie könig & mario hirner]
Zahlen. Daten. Fakten. Ist die lange ungekannte Einschränkung unser aller Freiheit noch immer wissenschaftlich stichhaltig zu begründen?
Ein wesentlicher Grundsatz einer freien und unabhängigen Presse sollte es von jeher sein, die Arbeit der Regierenden genauer unter die Lupe zu nehmen und auch zu hinterfragen. So etwas hat in den wenigsten Fällen mit Verschwörungstheorien zu tun, sondern ist vielmehr – sofern es zum Nachdenken und Fragenstellen animiert – als legitimes und wichtiges Mittel einer funktionierenden Demokratie anzusehen. Je mehr die Einschränkung der Freiheit jedes Einzelnen durch Verordnungen überhand nimmt, umso wichtiger sind freie Medien ohne Tendenz, Meinungen zu machen. Genau aus diesem Grund ist die Einforderung einer wissenschaftlich stichhaltigen Begründung der Maßnahmen rund um das SARS-CoV-2-Virus, welche zu einer noch nie gewesenen Einschränkung unser aller Freiheit führten, zwingend erforderlich.
Statistiken sind kein Kinderspiel
Natürlich handelt es sich bei Covid-19 um eine Viruserkrankung, welche ungeahnte Ausmaße haben könnte. Umso wichtiger ist es, sämtliche Handlungen und Regeln täglich neu zu evaluieren, anstatt – wie ein Regierungsprotokoll nahelegt – mit Aussagen wie „Bald wird jeder von uns jemanden kennen, der an Corona gestorben ist“ bewusst Unbehagen in der Bevölkerung zu generieren. Ein Satz, der sich bestimmt bei allen fest verankert hat, weil er Angst macht.
Diese Angst verstärken auch die Zahlen, die uns tagtäglich präsentiert werden. „Ich würde gerne eine Alternative anbieten, aber es gibt keine“, sagte der Bundeskanzler. Was passiert aber, wenn man versucht, verschiedene Datensätze miteinander zu verknüpfen? Alles in allem ist es für Bürgerinnen und Bürger ohne statistische Kenntnisse oder ausgeprägte wissenschaftliche Interpretationsfähigkeiten sehr schwierig, die präsentierten Daten entsprechend einzuordnen. Da uns genau dieser Punkt jedoch ein großes Anliegen ist, haben wir uns auf die Suche gemacht.
Über die „Verdopplungsrate“ wurde und wird beispielsweise viel diskutiert. Dieser Wert soll aussagen, wie lange es dauert, bis sich die Zahl bestätigter Fälle verdoppelt. Diese Rate hängt jedoch auch davon ab, wie viele Tests
in den Labors durchgeführt werden und zeichnet keinesfalls ab, wie schnell sich eine Krankheit verbreitet.
Der Ländervergleich des prozentuellen Anteils der Personen, die mit (an?) dem Virus verstorben sind, ist mit Vorsicht zu genießen, da (noch?) nicht vergleichend analysiert wurde, wer, wie und wie häufig getestet worden war, ob es unterschiedliche Wege der Datenerfassung gibt oder bestimmte Länder vielleicht sogar ihre Daten verfälscht haben, wie es China mitunter vorgeworfen wird. Auch die Wohnsituationen und das soziale Leben sind von Land zu Land, von Kultur zu Kultur unterschiedlich. Für objektive Ergebnisse sind solche Gegebenheiten aber wesentlich. Die Heinsberg-Studie, die vom deutschen Virologen Prof. Hendrik Streeck und seinem Team durchgeführt wurde, verweist auf eine sehr hohe Dunkelziffer. Diese bezeichnet Streeck als sehr positiv, weil es bedeutet, dass sehr viele infizierte Personen keine Symptome einer Erkrankung zeigen. Was auch bedeutet, dass der Wert der Sterblichkeit sehr wahrscheinlich sogar noch unter der bisherigen Annahme von 0,37% der Infizierten liegt.
Die Präsentation der absoluten Zahlen von neu Infizierten hat übrigens keinerlei Aussagekraft. Die Zahl der Infizierten muss de facto mit der vermehrten Zahl an Tests steigen. Werden beispielsweise an einem Tag bei 1.000 Tests 25 Infizierte erhoben, so bedeuten 50 Infizierte bei 2.000 Tests real keinerlei Steigerung, was aber oftmals so kommuniziert wurde, als hätte sich die Anzahl der Infizierten – in diesem Beispiel – verdoppelt. Sieht man sich die Zahlen also genau an, so ist objektiv festzuhalten: Die Fälle an Infizierten wurden zwar mehr (weil mehr getestet wurde), der prozentuelle Anstieg der Infizierten sank jedoch bereits ab dem 12. März wieder, also bereits vor Inkrafttreten der Maßnahmen.
Flatten the curve
Die Bestrebungen, die Kurve der Neuinfektionen abzuflachen, sind zum Hauptanliegen in unserem Alltag geworden. Der enorme Zusammenhang mit der Art der Testung, vor allem auch damit, ob etwa vermehrt Ältere und Personen exakt aus der Risikogruppe auf das Virus getestet wurden, geht allem Anschein nach zu sehr unter all den veröffentlichten Zahlen und Verordnungen unter. Vor allem in der Kommunikation der aktuellen Lage ist es angebracht, vermehrt auf Relationen zu achten, welche der Bevölkerung die Chance geben, sich ein besseres Bild davon zu machen, was uns alle seit vielen Wochen so intensiv beschäftigt.
Eine Abwägung, ob, wann und wie stark eine zweite Welle kommen wird, sollte auf Grundlage der bereits verfügbaren Daten erfolgen und muss sämtliche Erkenntnisse und Statistiken enthalten, sowie laufend evaluiert werden. Ebenso sind mehrere Meinungen, untermauert mit Zahlen, Daten und Fakten nötig, um den richtigen weiteren Weg zu finden. Nicht jeder, der als Virologe, Rechtsexpterte, Fachmann aus anderen (medizinischen) Bereichen oder auch als ganz „normaler Mensch“ gegen die Maßnahmen votiert, ist automatisch ein weltfremder Verschwörungstheoretiker. Natürlich kann man zu Felde führen, dass die Infektionszahlen nur auf Grund des Shutdowns so gering gehalten werden konnten, dennoch bleibt die Frage, warum der prozentuelle Anstieg bereits ab dem 12. März umgekehrt wurde, vier Tage vor dem Herunterfahren des Landes und trotz der drastisch erhöhten Tests.
„So viel wie nötig, so wenig wie möglich” darf nicht nur eine leere Floskel sein. Bei allem Humanismus – denn der Wert des Lebens kann niemals überschätzt werden – ist die Frage unbedingt zu klären und transparent zu kommunizieren, worauf die Entscheidungen der Bundesregierung fußen. Denn wie gesagt ist es inhaltlich nur schwer nachvollziehbar, beispielsweise bei einer Verdoppelung der Tests von einer Verdoppelung der Infektionszahlen auszugehen.
Quellen:
info.gesundheitsministerium.at/
orf.at/corona/stories/3157533/
www.wienerzeitung.at/nachrichten/chronik/oesterreich/2055030-Corona-Faelle-in-Oesterreich.html
tvthek.orf.at/profile/ZIB-2/1211/ZIB-2/14050625
www.quarks.de/gesundheit/was-die-daten-zu-corona-aussagen-und-was-nicht/
www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText3
www.esanum.de/today/posts/robert-koch-institut-corona-reproduktionsrate-bei-07
www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/heinsberg-studie-neue-erkenntnisse-100.html
kurier.at/politik/ausland/coronavirus-westliche-geheimdienste-werfen-china-vertuschung-vor/400830944
https://www.derstandard.at/story/2000115810293/aktuelle-zahlen-zum-coronavirus