Hinter tausend Stäben keine Welt: “Tagfinsternis” im Landestheater NÖ.
Tagfinsternis. Asylstück in der österreichischen Uraufführung. Ein theatralischer Aufschrei in einem hitzigen Konflikt einer Asylantenfamilie.
Wer sich für die Asylproblematik interessiert, ist in diesem Stück an der richtigen Stelle. Die aus St. Petersburg stammende Autorin Julya Rabinowich hat in ihrem Familiendrama „Tagfinsternis“ zum Teil ihre eigene Migrationsdramatik mitverarbeitet. Premiere und Uraufführung war am 17.1. im Landestheater Niederösterreich.
In der Mitte der Theaterwerkstatt ist als Bühnenbild ein Boxring aufgebaut. Rundherum sind die Zuschauersitzreihen angeordnet. Der Ringkampf beginnt mit einem langen Schweigen. Dann allmählich tauen die Figuranten auf. Sie sind Flüchtlinge, politisch Verfolgte irgendwo im Osten, wahrscheinlich Tschetschenien und sie sind wahrscheinlich Muslime, gelandet im österreichischen Asyl, im Land der Hoffnung. Aber wie so oft geht auch hier die Sonne im Osten auf und im Westen die Hoffnung unter. Der Kampfring symbolisiert den Kampf um ihre Existenz, ein Ringen um das Für- und Gegeneinander. Hier im österreichischen Asyl zwar der tödlichen Verfolgung entkommen, aber nun zur Freiheit verdammt. Eine Freiheit die ja keine ist. Deshalb „verdammt“. Ein postmoderne Weiterführung des Satre‘schen Existenzialismus: Zur Freiheit verdammt, zur Freiheit in Unfreiheit im Asyl. Nichts als trostlose Langweile im Zustand des ewigen Wartens und der Trostlosigkeit. Die Familienmitglieder reiben sich gegenseitig auf, zerfleischen sich förmlich, machen sich Vorwürfe, schreien sich ihre Lunge wund. Unerträgliche Szenen, in denen wie in Rilkes Panther nur ein „großer Wille“ steht: Den Bruder des Vaters befreien, der im Terrorland von Gewalttätern festgehalten wird. Aber die Befreiung hat einen hohen Preis…
Manche Zuschauer sind über die Inszenierung empört, viele begrüßen den Wahrheitsfanatismus von Autorin und Regie. Im Ring stehen Michael Scherff, Marion Reiser, Lisa Weidenmüller, Florian Grassl und Katharina von Harsdorf. Eine Gruppe von Statisten kommt und geht, schweigend, macht sonst nichts. Alle Mitwirkenden geben ihr Bestes. Wie ein „Tanz von Kraft“ in Rilkes Panther hinter Gitterstäben.
Von Robert Voglhuber
Termin | Fr 21.2., 19.30h
Info | www.landestheater.net