07.04.2021

Keine Luft mehr

Zahlreiche berührende Bilder mit der Bitte der Kinder, wieder Fußball spielen zu dürfen, wurden im Rahmen eines nationalen stillen Protests bei der Initiatve eingereicht.
©kinderbrauchensport.at

[von michie könig]

Maßnahmen-Kritik. Zur Eindämmung der Verbreitung von SARS-CoV-2 mitsamt allfälliger Mutationen schüren die Regierungen weltweit ein restriktives Korsett nach dem anderen. Viele Menschen mobilisieren zunehmend Kräfte, um diesen Tendenzen entgegenzuwirken.

Immer lauter werden auch in den Leitmedien die Stimmen jener, die vor den Kollateralschäden der Coronapolitik warnen. Während es auf den Intensivstationen nach einem Jahr noch immer nicht zu Triagen gekommen ist, müssen Ärzte hingegen bei psychisch belasteten Kindern und Jugendlichen sehr wohl die Entscheidung treffen, welcher Fall prioritär behandelt werden muss. Das Spektrum der Folgen im Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen reicht von Depressionen und Angststörungen über Ess- und Schlafstörungen bis hin zu Waschzwängen oder viel zu starker Einsamkeit. Nicht wenige kämpfen mit und gegen Suizidgedanken.

Die Zeit drängt
Die großen Leidtragenden vieler Maßnahmen sind die Kleinsten unter uns – unsere Kinder. Sie wachsen in einer Gesellschaft auf, in der ihnen jeder Mensch – sie selbst eingeschlossen – als drohende Ansteckungsgefahr suggeriert wird. Ein sehr zentrales Thema, das eine gesunde Entwicklung für junge Menschen begünstigen würde, ist hingegen Bewegung an der frischen Luft. Vor diesem Hintergrund wurde Anfang Februar eine österreichweite Petition gestartet. Initiator Hannes Hörndler aus Allhartsberg ist nicht nur Familienvater und Buchautor, sondern auch als Fußball-Nachwuchstrainer engagiert. „Sport im Freien ist sehr sicher. Kinder können sich körperlich austoben, soziale Kontakte auf sichere Art und Weise ausleben und den so dringend notwendigen Ausgleich finden, der sich auf ihr Wohlbefinden positiv auswirkt“, fordert der Mostviertler die Entscheidungsträger auf, die Auswirkungen dieser Einschränkungen gesamtgesellschaftlich zu betrachten. „Denn derzeit leiden Laut einer Studie der Donau-Uni Krems und der Medizin-Uni Wien 56 Prozent der SchülerInnen an depressive Stimmungen, jedes sechste Kind (!) hat Suizidgedanken – Horrorzahlen, die nicht mehr länger ignoriert werden dürfen.“
Natürlich sollten, so ist er überzeugt, auch die Tennishallen und Fitnessstudios endlich öffnen dürfen. „Für unsere Petition mussten wir aber irgendwo ansetzen und unsere Kräfte konzentrieren. Die Entscheidung fiel uns dabei nicht schwer, denn die Kinder werden wirklich von der Politik übersehen!“ In einem nächsten Schritt möchte die Initiative auch erreichen, dass Turnsäle für HipHop-Kurse und ähnliche Bewegungsangebote wieder ermöglicht werden.
Nun ist es ja so, dass der Nachwuchs der Bundesliga (U11 bis U14) und die Leistungszentren bereits Fußball spielen dürfen. „In den Vereinen stellen sich viele die Frage, ob hier manche Kinder gleicher sind als andere, der Unmut wurde immer größer. Es brodelt, und daher haben wir die Idee geboren, am Sportplatz ein Protestbild zu arrangieren: eine nationale Aktion, an der sich möglichst viele Vereine vor Ort beteiligen werden“, erzählt Hörndler von Details, die natürlich außerhalb der Vereine kaum jemandem bewusst sind. „Wir mussten etwas unternehmen, denn wir drangen mit unseren Forderungen und Bitten einfach nicht durch. Es gibt dermaßen viele unterschiedliche Initiativen gegen verschiedene Maßnahmen“, bringt er das zentrale Problem dafür, mediale Aufmerksamkeit zu erreichen, auf den Punkt. „1.200 Vereine unterstützen nun unsere Initiative, damit haben wir jedenfalls eine gewisse Größe erreicht. Der Leidensdruck wird immer größer“, weiß Hörndler, und der Inhalt des offenen Briefes, den die Initiatoren an die Bundesregierung richteten, lässt wahrscheinlich (hoffentlich) niemanden kalt: „Viele Kinder sitzen bis zu acht Stunden vor Computern, weil sie Onlineunterricht haben und/oder ihre Eltern arbeiten müssen und sie nicht anders beschäftigen können, als ihnen auch nach dem Distance Learning das Spielen von Onlinespielen auf diversen Medien zu erlauben. Das ist leider die Realität, die kaum jemand in der Öffentlichkeit ausspricht“.
Besorgte Eltern wenden sich an die Vereinsvertreter und berichten von der Antriebslosigkeit ihrer Kinder, von Gewichtszunahme, von „gar nicht mehr aus dem Haus gehen wollen“ und sogar von „nicht mehr leben wollen“. Alles, was Spaß macht, ist verboten. Und das schon zu lange. „Kinder brauchen andere Kinder zur Bewegung, Kinder brauchen das Spiel“, wissen die Jugendleiter aus Erfahrung. Sehr gut formulierte Kritik findet sich im Schreiben, das auf der Website nachzulesen ist: „Es wird zurzeit viel von Risikopatienten gesprochen. Wir produzieren durch Schließung der Sportanlagen vermehrt Risikopatienten der Zukunft.“ Denn ein gesunder Lebensstil, ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung sind für ein funktionierendes Immunsystem essentiell. Sport ist dabei nicht nur eine körperlich gesunde Freizeitbeschäftigung: die sozialen Kontakte sind enorm wichtig für die allgemeine Entwicklung. Und: Vereine sind auch Institutionen für Integration. Kinder, die es im Leben weniger einfach haben, werden so erreicht. „Sport ist Lebensschule“, ist Hörndler überzeugt.
Die Initiative „Kinder brauchen Sport“ darf sich jedenfalls schon über erste Erfolge freuen. Hannes Hörndler wurde am 25. Februar in die ZIB-Nacht zum Interview geladen. Noch Ende Februar erfolgte die Zusage des Sportministers, sich für Öffnungsschritte einzusetzen, und ab 15. März ist österreichweit im Nachwuchsbereich wieder ein Fußballtraining möglich, wenn auch vorerst mit Abstand. Vollkontakttraining mit Testungen steht als nächster Schritt im Raum. Dennoch bleiben die Menschen hinter der Initiative am Ball: „Es müssen alle Altersgruppen berücksichtigt werden, die Schultests müssen anerkannt werden, normales Training muss allerspätestens zu Ostern stattfinden!“, fordern sie.

Förderdschungel als Hauptaufgabe
Auch in der Gastronomie und im Eventbereich steigt die Frustration. Daniel Flor und Patrick Langthaler von Grand Event Consulting in Nöchling sind bereits 15 Jahre in der Branche tätig. Sie vermitteln Technik, bauen diese auf und ab, gestalten Licht-Shows. Sogar bei den Söhnen Mannheims haben sie schon bei Konzerten mitgewirkt. Mit großer Freude entwickelten sie ihr Unternehmen im Bereich der Licht-Kunst weiter, und sie sind auch Teil des Nöchlinger Kultursommers, im Rahmen dessen die Aufführung von Romeo und Julia im Vorjahr unter Einhaltung aller Corona-Auflagen stattfand. „Verdienen kann man damit dann allerdings nicht mehr“, gibt Daniel ehrlich zu. „Das war eine Herzensangelegenheit, unsere gesamte investierte Energie nicht einfach verpuffen zu lassen.“ Anstatt knapp 300 täglich durften an den fast 20 Veranstaltungstagen nur je 100 Tickets verkauft werden, und auch die anschließende Konsumation fiel – nicht nur aufgrund der Auflagen, sondern auch wegen der seitens der Regierung geschürten Angst – sehr schwach aus.
Wie hält man sich finanziell über Wasser, wenn die Einnahmequelle per Verordnung als verboten gilt? Lebt man dann von Förderungen? „Die ersten drei Monate haben wir überhaupt nichts erhalten“, erinnern sich die beiden Selbstständigen. „Wir haben ein großes Lager, viel Material und Fahrzeuge. Natürlich gibt es auch laufend Rechnungen, die wir bezahlen müssen. Es wurde sehr viel finanzielle Unterstützung versprochen, wir informieren uns beinahe permanent und reichen laufend Anträge ein, aber es sieht nach wie vor sehr mau aus. Derzeit erhalten wir vielleicht drei oder vier Prozent der Summen, die in Aussicht gestellt wurden. Beim Telefonat mit einer Hotline wurde uns beim Fixkostenzuschuss glatt erklärt, dass unser Fall nie bearbeitet worden wäre, wenn wir nicht angerufen hätten.“
Das facettenreiche Unternehmen wollte eigentlich eine Halle errichten, um die Ausrüstung und Anlagen langfristig kostengünstiger lagern zu können. „Aktuell läuft das alles auf Miete. Aus diesem Grund hatten wir bereits einiges angespart. Das hat uns nun lange Zeit gerettet. Unsere Ersparnisse sind jedoch bald aufgebraucht.“ Bei den finanziellen Hilfspaketen für die Eventbranche wird ihrer Meinung nach auf sehr viele Leute am Ende der Kette schlichtweg vergessen. „Auch die Person, die auf den Festen immer für die Reinigung der WC-Container zuständig ist, gehört da mit einbezogen.“ Im Winter ist die Grand Event Consulting üblicherweise im Après-Ski-Bereich tätig, vermittelt DJs, betreut Lokale, und auch im B2B-Bereich sind Daniel und Patrick als Subunternehmen aktiv. Alle diese Einnahmequellen fallen durch die Corona-Maßnahmen weg. Auch der Verleih der Anlagen fällt natürlich aus. Die Situation ist prekär.
„Wir waren nie nur ein Wochenend-Unternehmen, sondern die ganze Woche auf den Beinen.“ Die Insolvenz steht als letzter Ausweg für die Selbstständigen bereits im Raum. Den Großteil ihrer Zeit investieren die beiden aktuell darin, auf dem Laufenden zu sein, was bei den Hilfspaketen geändert wurde und wie die Anträge wo einzubringen sind. „Die Wirtschaftskammer informiert, die Cofag informiert, das Bundesministerium für Finanzen informiert. Es gibt an die acht Hotlines, dort wissen aber die Ansprechpartner nicht, ob eine Interpretation der Vorgaben richtig oder falsch ist. Außerdem kostet es irrsinnig viel Zeit, jemanden zu erreichen, und nicht alle sind gleichwertig kompetent. Drei Stunden in einer Hotline sind da gar nichts, häufig ohne richtiges Ergebnis.“ Die Erklärungen sind schwammig formuliert. Es ist nie klar, wie etwas aufzufassen ist.
„Die Cofag, das ist ja eine richtige GmbH, die unsere Steuergelder verwaltet.“ Es kommen neue Richtlinien zu viel zu späten Zeitpunkten, Änderungen passieren über Nacht. „Binnen zehn Tagen haben die Menschen ihr Geld“, meinte der Finanzminister einst. Aber davon merken die Betroffenen nichts. „Viele Leute nehmen es einfach hin, dass sie eben nur 500 Euro bekommen. Wir gehören nicht dazu. Es ist nur wahnsinnig aufwändig, sich durch alle Paragraphen zu arbeiten, alles durchzugehen und zu versuchen, die Förderungen zu kombinieren. Und selbst dann erreichen wir kein Niveau, das unserer früheren Geschäftstätigkeit gerecht würde, und unsere Fixkosten bleiben ja dieselben. Wir können auch keine unserer Event-Technik-Komponenten privat veräußern, das kauft doch in dieser Zeit niemand.“

Kein gutes Gefühl für 2021
Auch für dieses Jahr erwarten sich Daniel und Patrick noch keine großartigen Verbesserungen für die Eventbranche. „Es gibt zwar jetzt einen Rettungsschirm der österreichischen Tourismusbank für die Veranstaltungsbranche, um eine gewisse Planungsmöglichkeit für Events zu bieten, aber inwiefern und in welchem Ausmaß dieser dann tatsächliche Ausfälle decken würde, kann zum heutigen Zeitpunkt noch niemand wissen“, gibt Flor zu bedenken. Dieser gilt wohl für die ersten Events ab 15. Mai. Er wurde nun bis Ende 2022 verlängert, was ja auch schon etwas aussagt.
In ganz Österreich arbeiteten die Menschen ständig an immer wieder neuen Präventionskonzepten. Abstände bei der Bestuhlung, sich ändernde erlaubte Personenanzahl pro Tisch, Wirte kauften Plexiglas-Trennwände, die sie nur wenige Wochen lang verwendet haben.
Traditionell hängt in der Eventbranche vieles von der Sommersaison ab. Bei anhaltenden Einschränkungen könnten daher im Herbst dieses Jahres zahlreiche Unternehmen aufgeben müssen. Auch Gert Zaunbauer, Spartenobmann für die Freizeit- und Sportbetriebe der Wirtschaftskammer NÖ übt in einem ORF-Beitrag Kritik daran, dass in einer so heterogenen Branche alle Unternehmen in einen Topf geworfen werden. Er spricht sich dafür aus, dass nach und nach in gewissen Bereichen endlich aufgemacht wird. Im selben Beitrag kommt auch Doris Hinterleitner vom Manker Unternehmen mado Event Solutions zu Wort: „Wir befinden uns auf hoher See und es herrscht ein schlimmer Sturm. Wir haben Proviant mit, aber wissen nicht, wie lange er noch reicht. Unsere größte Angst ist, dass wir untergehen.“ Im Gespräch mit dem momag erzählt sie, dass sie froh ist darüber, dass ihr Unternehmen in den vergangenen Jahren so gut gewirtschaftet hat und nun ein Polster hat, von dem es zehren kann. Trotzdem gäbe es mado ohne die Hilfspakete nicht mehr. „Wir sind wirklich dankbar, dass wir Umsatzersatz und Kurzarbeit erhalten. Damit konnten wir unsere Mitarbeiter halten. Nun planen wir, in der Hoffnung, diese Veranstaltungen auch durchführen zu können. Wie genau der Rettungsschirm funktionieren wird, konnten
wir auch noch nicht herausfinden. Wir wollen den Menschen endlich wieder eine sorgenfreie Zeit und Spaß am Leben bereiten!“

 

petition | mein.aufstehn.at/petitions/kinder-brauchen-sport
www.kinderbrauchensport.at

COFAG
Die Covid-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH wurde im Rahmen des COVID-19-Gesetzes gegründet. Ihr wurde die Erbringung von Dienstleistungen und das Ergreifen von finanziellen Maßnahmen übertragen, die zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten von Unternehmen im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 geboten sind. Sie ist eine Tochter der staatlichen ABBAG, jener Abbaugesellschaft im Eigentum der Republik, die ursprünglich zur Abwicklung der Hypo-Bad-Bank gegründet worden war, und findet sich auch im Firmenbuch. Die Geschäfte leiten Vertrauensleute von ÖVP und den Grünen. Aus Sicht von SPÖ, FPÖ und NEOS ist die staatliche Agentur einer parlamentarischen Kontrolle entzogen: die Kontrolle über einen Beirat ist ihnen zu wenig. Der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband (SWV) hat eine Beschwerdeplattform ins Leben gerufen. Dort können Unternehmer ihre Probleme mit der COFAG schildern. Diese werden im Anschluss an den Finanzminister weitergeleitet.

web| www.blackbox-cofag.at

 

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