Madame Baheux: Grooviges Frauenquintett spielt Jazz, World, Folk und “Jugo-Rock”.
Madame Baheux. Witzig, spritzig, schräg und groovy. Das Frauen-Quintett spielt World, Jazz, Folk, Rock, Lieder von Ewan MacColl, Bertolt Brecht oder Georg Kreisler. Mit ihrem Debütalbum sind sie im Juni auch zu Gast bei den „wanderbaren Gipfelklaengen“. Jelena Popržan sprach dem momag im Wiener Café Hummel.

„In den 90ern ist die Pflege der volksmusikalischen Traditionen am Balkan ausgeartet im sogenannten „Turbo-Folk“. So etwa wie hier der Musikantenstadl. ” Foto: Igor Ripak
Madame Baheux ist 2012 entstanden. Habt ihr euch schon davor gekannt?
Die Gruppe gibt es eigentlich schon seit 2010. „Catch Pop String Strong“, mein erstes nicht-klassisches Projekt mit Rina Kaçinari, hat sich zusammengetan mit Ljubinka Jokić, Gitarristin und Sängerin. Gemeinsam haben wir ein Programm für das Balkan Fever Festival erarbeitet. Dazu haben wir Maria Petrova, die Schlagzeugerin die auch bei der Wiener Tschuschenkapelle spielt, als Gast eingeladen. So ist die Besetzung entstanden, allerdings haben wir noch keinen Namen gehabt. Madame Baheux in der jetzigen Formation gibt es erst seit 2014. Für die CD-Produktion haben wir die Cellistin deeLinde von Netnakisum für zwei Stücke eingeladen. Dann spielte sie auch bei einigen Konzerten mit und hat so ihre Prüfung für unsere Band geschafft (lacht). Nach der Veröffentlichung der CD wurden wir ein Quintett. Das möchte ich noch einmal unterstreichen: Wir sind ein Frauen-Quintett. Kennengelernt haben wir uns alle in Wien.
War es Absicht, eine Frauen-Band zu gründen?
Nein, das ist passiert. Ich habe zufällig drei reine Frauen-Bands. Ein Duo, ein Trio und das Quintett und es ist keinerlei Absicht dahinter. Aber das kann man gut zu einem Programm machen.
Wie sucht ihr die Lieder, die ihr bearbeitet, aus?
„Die Seeräuber-Jenny“ von Brecht zum Beispiel habe ich schon mit Catch Pop String Strong gespielt. Als Madame Baheux dann entstand, haben wir das weiter gespielt, weil es uns sehr gut gefallen hat. Dazu kam Ljubinka mit ihrer Rock-Gitarre und da dachten wir, dass es vielleicht nicht schlecht ist, einen Brecht so zu bearbeiten. Also eigentlich Kurt Weill, wenn es um die Musik geht. Wir haben in die Musik eine der Traditionen Ex-Jugoslawiens hineingebracht, nämlich „Jugo-Rock“.

Foto: Andrea Putz
So 90er Jahre-Rock?
Nein, nicht nur 90er. Rock’n’Roll war in den 70ern und 80ern in Ex-Jugoslawien schon sehr stark. Da gab es eine sehr gute, große und starke Rock-Szene und mit dieser sind wir auch teilweise aufgewachsen. Wir haben das im Blut, vor allem Ljubinka und ich. Viele denken, weil wir vom Balkan kommen, müssen wir die Volksmusik in die Wiege gelegt bekommen haben. Das war bei uns nicht so, das hat uns überhaupt nicht interessiert. Ich komme aus einer Künstlerfamilie, da hat man ganz was anderes gehört. Klassik, Jazz, Jazz-Rock oder Folk, aber keine Volksmusik. Ljubinka bekam sogar sowas wie eine Allergie auf Volksmusik, weil sie eine Zeit lang gezwungen wurde, auf einem Akkordeon serbische Volksmusik zu spielen. Das mochte sie überhaupt nicht und nachts hat sie sich heimlich eine Gitarre ausgeborgt, sich von Schallplatten die Rocksongs angehört und nachgespielt. Das durften die Eltern natürlich nicht wissen (lacht).
Stört es euch, wenn euch jemand in die „Balkan-Ecke“ stellt?
Der Markt braucht offenbar solche Schubladen. Man fragt sich trotzdem, wieso alles kategorisiert, definiert und manchmal begrenzt werden muss. Ich finde das dumm. Wir bieten viel mehr als das. Es gibt natürlich Elemente verschiedener volksmusikalischer Traditionen des Balkans in unserer Musik. Wir haben diese Musik immer wieder gehört, oft im Radio. Sie hat uns nie wirklich interessiert, es ist aber keine schlechte Musik, im Gegenteil. Nur in den 90er Jahren ist die Pflege der volksmusikalischen Traditionen ausgeartet im sogenannten „Turbo-Folk“, das ist neu komponierte Volksmusik. So etwa wie hier der Musikantenstadl. Ich persönlich habe die Volksmusik des Balkans erst in Österreich für mich entdeckt.
Wie wichtig ist die politische Komponente bei Madame Baheux?
Für mich persönlich sehr. Es ist aber kein Muss in unserem Programm. Wenn man in keiner Seifenblase lebt und sich ein wenig umsieht und umhört in der Gesellschaft, in der man sich bewegt, ist man sehr schnell politisch. Man sollte es sein. Man will als Musikerin ja auch etwas vermitteln. Falls die Musik es erlaubt. Vor ein paar Jahren habe ich Georg Kreisler für mich entdeckt. Ich bin glücklich, dass ich Deutsch gelernt habe, als ich nach Österreich kam. So konnte ich eine Menge deutscher und österreichischer Literatur lesen und ich konnte mich mit Kreisler beschäftigen. Als ich ihn auf youtube entdeckt habe, freute ich mich wie ein kleines Kind (lacht). Vor allem das Lied „Meine Freiheit, deine Freiheit“ ist großartig. Ich habe Klassik studiert und vor manchen Stücken – egal welcher Stil es ist – habe ich große Ehrfurcht entwickelt. Ich habe mich nicht getraut, sie zu interpretieren. „Meine Freiheit…“ war auch lange so ein Stück.
Ihr seid heuer bei den „Gipfelklaengen“ mit dabei. Wie kam es dazu?
Mit „Catch Pop String Strong“ habe ich vor zwei oder drei Jahren bei den „Gipfelklaengen“ gespielt. Ich weiß nicht mehr genau, ob ich bei Suzie Heger (Anm.: musikalische Leitung, wellenklaenge.at) oder sie bei mir angefragt hat. Wir waren bereits im letzten Jahr in Kontakt und es hat sich einfach ergeben. Da ist es wohl besser, sie zu fragen (lacht).

Foto: Andrea Putz
Du kennst das Festival also schon? Wandern die Musiker da auch mit?
Vor zwei Jahren waren wir bei der Eröffnung dabei, da spielten wir in einem Gasthaus. Es wird sicher den einen oder anderen geben, der mitwandert. So etwas in der Art habe ich auch in der Wachau schon erlebt. Das Festival hieß „Nomaden des Seins“. Von Hans Tschiritsch und Otto Lechner kuratiert und organisiert. Es war ein ähnliches Konzept. Wanderungen mit vielen Stationen, wo Musik gespielt wird.
Werdet ihr für die Gipfelklaenge ein besonderes Programm zusammenstellen?
Unser Programm ist immer etwas Besonderes (lacht). Die Lieder, die es auf CD zu hören gibt und auch ein paar neue Stücke, die wir gerade vorbereiten.
Ihr habt 2014 den „Austrian World Music Award“ gewonnen. Wie wichtig sind solche Auszeichnungen für euch?
Solche Preise sind wichtig, weil sie die Sichtbarkeit erhöhen. Natürlich schmeichelt das einem auch. Obwohl jeder Wettbewerb etwas Willkürliches ist. Es ist eigentlich egal, ob man gewinnt oder nicht. Ich will uns unsere Qualität nicht absprechen, aber in diesem Jahr waren es 150 Bands, die sich für den Award angemeldet haben, sechs kamen ins Finale. Es gab ein einfaches Voting, ohne dass sich die Jury-Mitglieder absprechen konnten. Es hieß aber, dass es ungefähr zehn Bands gab, die es nur ganz knapp nicht geschafft haben. Man muss auch viel Glück haben bei einem Wettbewerb.
interview | petra ortner
web | www.madame-baheux.com
wanderbare gipfelklaenge | am 6. und 7. Juni durch das Traisen- und Gölsental und den Naturpark Ötscher-Tormäuer; www.gipfelklaenge.at