11.05.2016 0 Kommentare

Pedaleure ohne Pedal.

Mobilität im Umbruch. Vor 200 Jahren wurde das erste Fahrrad entwickelt. Es war aus Holz und hatte noch keine Pedale. Eine Hungerkatastrophe beflügelte den genialen Erfinder Karl Drais zur Konstruktion einer Laufmaschine und gab damit den Startschuss zur neuen Mobilität.

Nachbau einer Laufmaschine von 1817 im Deutschen Zweirad- und NSU-Museum in Neckarsulm Foto: Joachim Köhler

Nachbau einer Laufmaschine von 1817 im Deutschen Zweirad- und NSU-Museum in Neckarsulm
Foto: Joachim Köhler

von robert voglhuber

Sie nimmt wieder Fahrt auf, die Saison der Radfahrer. Biken und Wandern sind unsere liebsten sportlichen Outdoor-Aktivitäten. Sobald meteorologisch der Frühling ausgerufen wird, geht‘s hinaus. Die meisten nutzen ein Trekkingrad, gefolgt von Mountainbike und Rennrad. Und jedes elfte Rad ist bereits mit einem Elektromotor getunt – doppelt so viele wie noch im Vorjahr.
Die e-Bikes scheinen den Radreisen einen zusätzlichen Schub zu geben. Nicht verwunderlich, lassen sich doch weitere Strecken entspannter genießen. Distanzen über 200 Kilometer sind inzwischen mit einer Akkuladung möglich.
Unter den Top Ten der beliebtesten Radwege führt nach wie vor der Donauradweg – ohne größere Höhen und Tiefen führt er am Fluss entlang. Auch ich plane, demnächst den Donauradweg von Passau bis Linz zu bewältigen. Die „antriebslose Psyche“ muss vom Winterschlaf wieder wachgerufen werden. Auf Elektroantrieb werde ich verzichten. Ich kenne jemanden, von dem ich mir sein altes Elektrobike ausborgen könnte, das er nicht mehr braucht, weil er sich ein neues zugelegt hat. Sein altes erinnert immer ein bisschen an den Prototypen eines Bastlers.

Der Prototyp des Fahrrads entstand in Karlsruhe

Und dieser Gedanke führt mich zum eigentlichen Thema meiner Abhandlung: zum Erfinder des Fahrrads, der die Welt in ein neues mobiles Zeitalter katapultierte. Drehen wir das Rad der Geschichte um fast genau 200 Jahre zurück. 1817 machte Karl Freiherr von Drais aus Karlsruhe mit der Entwicklung des weltweit ersten Fahrrads eine geniale Erfindung. Nach ihm, dem Urvater des Vehikels, nannte man das Gefährt „Draisine“. Eigentlich war es ein Laufrad, weil man mitlaufen musste. Es hatte noch keine Tretpedale. Der „Fahrläufer“ musste sich vom Boden abstoßen. Das gesamte Modell war aus Holz. Lenkstange, Räder, Gestell, alles war aus Holz. Karl Drais, der Landwirtschaft, Baukunst und Physik studierte, kam auf die Idee, ein „pferdeloses“ Fahrzeug zu entwickeln, als 1816/17 Ernteausfälle zu Hungersnöten führten und der Haferpreis für Pferde unerschwinglich wurde. Wie kam es eigentlich zu dieser Hungerkatastrophe?

Klimakatastrophe beflügelt Erfindergeist

1815 explodierte der Mount Tambora auf der heute zu Indonesien gehörenden Insel Sumbawa, östlich von Java. An die hunderttausend Menschen sollen dabei umgekommen sein. Eine Klimakatastrophe war die Folge. Nordamerika vereiste und in Europa blieb der Sommer aus. Heute ist der Berg nur mehr halb so hoch wie vor der Eruption. Gas und Asche und sonstiges Material wurden, so schätzt man, bis auf eine Höhe von 43 Kilometer in die Stratosphäre geschleudert. Es war die größte Naturkatastrophe der vergangenen tausend Jahre, die auch für Europa und Nordamerika Konsequenzen hatte. Ein drastischer Klimawandel wie nie zuvor veränderte die Welt. Schwefelgase bildeten Aerosolwolken, die um den ganzen Globus zogen und absorbierten vielerorts große Mengen Sonnenlicht. 1816 war ein Jahr ohne Sommer und mit bitterkaltem Winter. Vor allem den Getreidefeldern wurde unermesslicher Schaden zugefügt. Es regnete sintflutartig und Missernten führten zu Hungersnöten. Nebenbei haben die Napoleonischen Kriege auch noch weite Landstriche verwüstet.
Das ruft Künstler und Erfinder auf den Plan. Der englische Maler William Turner bannt die wenigen, dafür aber umso prachtvolleren Sonnenuntergänge auf Leinwand. Die Klimakatastrophe führt durch Missernten zu Futtermangel und Pferdesterben und vor allem zu beträchtlich erhöhten Preisen von Pferdefutter. Man brauchte eine Alternative zum Reitpferd, ein Ersatzvehiculum. Das rief Karl Drais aus Karlsruhe auf den Plan. Er konstruierte seine hölzerne Laufmaschine, aus der sich später das Fahrrad entwickelte. Heute haben manche Städte wahrscheinlich mehr Fahrräder als Einwohner, in allen Erhaltungsstufen von schrottreif bis hochglanzpoliert.

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