Premierenbericht: Zwei Fliegen auf einen Schlag in rückwärtsgewandter Utopie.

Tobias Voigt und Helmut Wiesinger in Radetzkymarsch und die Rebellion. Foto: Alexi Pelekanos
Premiere | Radetzkymarsch und die Rebellion von Joseph Roth – das Landestheater präsentiert eine gewagte Bühnenfassung von Roths Prosa.
Von Robert Voglhuber
Friedrich Heer nannte den „Radetzkymarsch“ von Roth einmal ein „Requiem auf Österreich“, das die Idee der Einheit des Vielvölkerstaates versinnbildlicht. Joseph Roth, ein Märchenerzähler, Journalist und Dichter, ruheloser Bohemien und melancholischer Alkoholiker, immer auf Wanderschaft ohne Ziel (Konzept des Zionismus), ein Luftmensch der Zukunft, war der Verlorenste einer verlorenen Generation, ein Untergangsprophet, er verzweifelte an der Weltgeschichte: „Es ist sinnlos, noch Vernunft zu bewahren, nur wer die Augen mit ganzer Kraft verschloss, konnte noch einen Rest an Zuversicht bewahren.“

Foto: Alexi Pelekanos
Anhand von drei Generationen der Familie von Trotta, deren Großvater dem Kaiser in der Schlacht von Solferno das Leben gerettet hatte, schildert Joseph Roth Glanz und Verfall des Habsburgreiches. Michael Scherff verkörpert mit kräftiger Stimme und einbeinig humpelnd den pflichtbewussten Beamten der k.u.k.-Monarchie. Den Enkel Carl Joseph von Trotta spielt Wojo van Brouwer überzeugend als Offizier wider Willen, sensibel und zart besaitet, und wenn er sein Glück im Spiel und bei den Frauen nicht findet, sucht er es im Alkohol. Joseph Roth schuf mit dem 600-seitigen Roman sein Lebensthema, aus dem Philipp Hauß eine Theaterfassung machte und Roths „Rebellion“ gleich mit ins Gepäck nahm, in dessen Inneren das Publikum auf bunte Existenzen einer durcheinandergeratenen Zeit trifft: Die einen versuchen einzukreisen, was in der Welt noch eine Rolle spielt, andere sind quasi vom Leben verlassen. Das Ensemble mit Michael Scherff, Wojo von Brouwer, Miriam Schröder, Tobias Voigt, Moritz Vierboom, Helmut Wiesinger u.a. bewältigt jeweils mehrere Rollen und bereichert Joseph Roths Prosa in unvergleichlich bildhafter Präzision und verzahnt die Geschichten des einen Viertelkilo-Romans mit der leichtergewichtigen „Rebellion“ zu einem neuen Narrativ, das uns gekonnt in den Bann zieht.
termine | 15./16./24.10., jeweils 19.30 Uhr, 13.12., 16 Uhr und 31.12., 20 Uhr
web | www.landestheater.net