09.07.2015 0 Kommentare

Heiße Diskussion bei der AKNÖ: Privatsphäre im Visier der Geheimdienste und Konzerne.

Bei einer Fachtagung zum Thema Datenschutz in der Zentrale der Arbeiterkammer Niederösterreich zeigten Experten aus Wissenschaft und Praxis die Bedrohungen der Grundrechte durch die Aktivitäten von Geheimdiensten und Konzernen auf. Auch der Versuch einiger europäischer Staaten, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen, wurde als Verstoß gegen die Menschenrechte kritisch beleuchtet. In einem zweiten Schritt suchten die Experten nach technologischen und rechtlichen Lösungen zur Verbesserung des Datenschutzes.

AKNÖ-Vizepräsident Michael Fiala eröffnet die Fachtagung zum Thema "Privatsphäre im Visier von Geheimdiensten und Konzernen".   Foto Mario Scheichel

AKNÖ-Vizepräsident Michael Fiala eröffnet die Fachtagung zum Thema “Privatsphäre im Visier von Geheimdiensten und Konzernen”.
Foto: Mario Scheichel

Der Datenschutzexperten  Andreas Krisch von Mksult GmbH und Christof Tschohl von Research Institute AG & Co KG gingen der Frage nach: Warum gibt es Datenschutz? Die Antwort auf diese Frage sehen sie in den Menschenrechten begründet. So erkläre etwa Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention das „Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens“ und der Artikel 8 der EU-Grundrechtscharta den „Schutz personenbezogener Daten“ zum Grundrecht von jedem Bürger. „Schutzgut sind nicht die Daten, sondern die Privatsphäre der Menschen“, erklärt Tschohl. Zwar könnten die meisten Grundrechte eingeschränkt werden, wenn dies im Interesse des Gemeinwohls verhältnismäßig geschieht, aber die Praxis von Geheimdiensten, jede greifbare Information abzuspeichern, stelle eine Verletzung dieser Grundrechte dar. Auch die Praxis von Unternehmen, jede Aktivität im Netz zu tracken, die Konsumenten aufgrund der verfügbaren Daten zu scoren und Prognosen auf zukünftiges Verhalten aus den „Big Data“ zu ziehen, sei aus menschenrechtlicher Sicht bedenklich. Die Formel „Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten“ sei eine unzulässige Umdrehung des Grundrechtskonzepts. Krisch forderte zur Stärkung des Datenschutzes von der Politik eine wirksame Rechtsdurchsetzung gegenüber den großen Konzernen. Die Geheimdienstüberwachung solle durch ein No-Spy-Abkommen der EU beschränkt und deren Aufgaben klar definiert werden.

Mittlerweile gibt es viele Möglichkeiten zur digitalen Überwachung!

Wolfie Christl von Cracked Labs zeigte in seinem Vortrag die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der kommerziellen digitalen Überwachung auf: Vom Selftracking der täglichen Bewegung mittels Fitnessband, um von der Krankenversicherung einen Rabatt zu bekommen, bis hin zu den Angeboten der großen Datenbroker wie Acxion oder Flurry. „Hinter dem Marketingschmäh von den tollen Entscheidungshilfen steckt in Wirklichkeit die Überwachung auf allen Ebenen, wenn nicht sogar Manipulation“, sagte Christl.

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Am Podium diskutieren Thomas Riesenecker-Caba (FORBA), Eva Angerler (GPA-djp), Christoph Lechner (AKNÖ), Andreas Krisch (Mksult GmbH) und Christof Tschohl (Research Institute) über die Verbesserung des Datenschutzes.
Foto: Mario Scheichel

Christoph Lechner, Mitglied des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, kritisierte den Ratsbeschluss zur geplanten EU-Datenschutz-Grundverordnung, gegen den auch der österreichische Vertreter im EU-Ministerrat gestimmt hat. Für Österreich würde es nach Erlass der Verordnung keine Möglichkeit mehr geben, auf nationaler Ebene strengere Regeln einzuführen. „Grundrechtsschutz zählt bei den EU-Ministern weiterhin weniger als das wirtschaftliche Interesse an der kommerziellen Verwertung von Daten und die nationale Sicherheit. Es darf nicht sein, dass die Verarbeitung von Daten für andere Zwecke bereits rechtmäßig ist, wenn ,legitime Interessen‘ des Unternehmens oder Dritter ,schwerer wiegen‘ als die des Bürgers“, sagte Lechner. Europäische Datenschutzregelungen dürften die nationalen Arbeitsverfassungen nicht in ihrer Gültigkeit beschränken und bestehende Betriebsratsrechte beschneiden. Überdies müsse ein betrieblicher Datenschutzbeauftragter vor Ort vorhanden sein. „Ein Konzerndatenschutzbeauftragter nur am Ort der Hauptniederlassung des Konzerns kann den BetriebsrätInnen in diversen Tochterunternehmen nicht als Ansprechpartner dienen. Wichtig ist daher die verpflichtende Bestellung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten ab einer Beschäftigtenanzahl von 25“, betonte Lechner.

Rubrik:: Aktuelle Themen

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