Schatzkistenmusik: Ulf Lindemann, Soundtüftler hinter [dunkelbunt] im Gespräch.
[dunkelbunt]. Ulf Lindemann, Soundtüftler und einer der Urväter der Electro Swing- und Balkan Beats-Bewegung, ist zwar gerade auf Urlaub in Spanien, trotzdem nahm er sich Zeit, um mit dem momag am Telefon über seine Musik und seine Affinität zu Gewürzen und Gerüchen zu plaudern. Gerade pünktlich zum Kaffee.

Foto: Julia Wesely
Wie und wann hast du begonnen, Musik zu machen?
Ich habe schon immer Musik gemacht. Früher mit der Familie, später bin ich in die elektronische Musikszene reingerutscht. In Wien erlebte ich eine ganz starke Horizonterweiterung, das war in der Zeit, als das Breitband-Internet entstand und die Geschichte mit den illegalen Downloads ihren Höhepunkt erreichte. Da hatte ich Zugriff auf Musik, von der ich vorher gar nicht wusste, dass sie existiert. Wien als Standort war für mich ganz entscheidend, hier stieß ich unter anderem auf die Balkan-Musik. In Hamburg, wo ich ursprünglich herkomme, habe ich von dieser Musik gar nichts mitbekommen.
Du hast eine Zeit lang Jazz studiert, war das wichtig für deine Laufbahn?
Nein, gar nicht (lacht). Ich wollte nur Klavierunterricht haben, ohne bezahlen zu müssen und habe die Aufnahmeprüfung auf der Uni wider Erwarten geschafft. Ich war so froh und stolz, dass es geklappt hat, dass ich dachte, ich muss jetzt auf jeden Fall studieren, hab‘s im Endeffekt dann aber doch nicht gemacht. Ich bin immer nur zum Klavierunterricht gegangen. Ich hab‘ mir vieles immer schneller „anlesen“ können. Ich fand die Vorlesungen unheimlich langweilig, weil nichts weitergegangen ist. Was in einer ganzen Vorlesung erzählt wird, kann ich in zehn Minuten lesen, wenn ich das richtige Buch in der Hand habe. Viele Sachen, die dort geboten wurden, haben mich etwas enttäuscht. Es war alles in die Länge gezogen.

Foto: dunkelbunt
Du verwendest viele verschiedene Instrumente. Gibt es eines, das du immer wieder gerne mit dabei hast?
Nein, eigentlich nicht. Ich habe so Instrumenten-Phasen, würde ich sagen. Es ist ein wenig so, wie wenn mich meine Tochter nach meiner Lieblingsfarbe fragt. Ich kann ihr da immer nur sagen: „Ich habe keine einzelne sondern es gibt Farbkombinationen.“ Es entstehen also Lieblingsfarben erst durch die Kombination mehrerer Farben. Das ist bei den Instrumenten auch so.
Auf deinem neuen Album „Mountain Jumper“ beschäftigst du dich mit US-amerikanischer Musik. Welche Richtung spricht dich am meisten an – Country, Hillbilly, Bluegrass oder was?
Mich sprechen einzelne Elemente an. Ich kann mir zum Beispiel Country, Hillbilly oder Bluegrass nur ganz, ganz wenig anhören. Mich nervt es meist schon nach einem Song, manchmal schon nach einem halben (lacht). Ich habe für mich nur die Teile extrahiert, die mich ansprechen. Diese ganz kleinen Elemente habe ich dann mit sehr vielen anderen Sachen angereichert. Ich kann dir schon ein paar Gruppen nennen, die ich sehr cool finde und von denen ich mir auch ganze Alben anhöre. Früher fand ich auch die Balkan-Musik total anstrengend. Oder arabische, türkische oder indische Musik. Klassik, Jazz, da muss ich mich überall erst hineinhören. Um mit der Zeit dann eine gewisse Liebe, eine Affinität zu entwickeln. Ich habe schon seit vielen Jahren immer wieder versucht, mich in den Country-Sound hineinzuhören. Da spielte im Hinterkopf immer wieder dieses Lied „Cotton Eye Joe“ eine Rolle. Dieser Kommerz-Hit, den es vor zwanzig Jahren gab. Dieses Lied hat mich lange Zeit davon abgehalten, im Studio mit einem Banjo zu arbeiten.
Bei der Promo-CD war eine Coffee-Spice-Gewürzmischung dabei. Kochst du auch gerne?
Ja, wir kochen jeden Tag. Mindestens ein Mal. Jetzt im Urlaub gibt es auch jeden Tag frische Orangen. Von denen ziehe ich die Schale ab und trockne die in der Sonne. Der Geruch hat eine anregende Wirkung. Auf die Gewürze bin ich auch in Wien gekommen, am Naschmarkt, der hat mich fasziniert, denn ich hatte immer schon ein Faible für Farben und Gerüche. Die sind wie eine Schatzkiste, finde ich. Mit den gekauften Gewürzen habe ich dann einfach begonnen, zu kochen und auszuprobieren. Das ist ganz ähnlich wie musizieren. Wie in einem Studio, wo man viele verschiedene Sachen anstellen kann.
interview | petra ortner
web | www.morgenlandstreicher.com
termin | 8.5., Wien, Chaya Fuera