„Scheitern sehen wir als Chance“

Foto: Tripolare Affektabstimmung
Tripolare Affektabstimmung. Die Mostviertler Musiker Clemens Krejci (Gitarre und Gesang), Phillip Schörghuber (Kontrabass, Cajon) und Dieter Forster (Percussion und Quetsch’n) verstehen sich in ihrer dreigepolten Impro-Band auch als ein musiktherapeutisches Theater in zwei Akten, das den Zwischenraum zwischen Akteuren und Publikum kleiner machen und mit Inspiration, Spontanität und Fantasie füllen will.
Was ist das Konzept hinter der Tripolaren Affektabstimmung? Wie würdet ihr euch beschreiben?
Clemens: Warum du gleich so schwere Fragen stellst… das kann jetzt ein bisschen dauern… (lachen) Also geht es um Zwischenräume. Ich wollte den üblichen Zwischenraum zwischen Musikern und Publikum kreativer gestalten. Ein bisschen mitklatschen und ab und zu „Hey Jo“ singen ist voll okay, ich wollte aber noch einen Schritt weiter hinaus, mit den Zuhörern interagieren und ihnen die Möglichkeit geben, teilzuhaben, was auf der Bühne im musikalischen Rahmen passiert. Also Interaktivität, Spontanität und Fantasie, das sind so ein bisschen die Standbeine, auf den wir aufbauen.
Wie kann man sich das genau vorstellen?
Clemens: Der erste Teil unsere Programm ist mehr oder weniger ausgecheckt. Da performen wir unsere eigenen Songs, wo wir die üblichen Themen behandeln, also Liebe, Freundschaft, das Leben, sozialkritische Sachen – natürlich in Mundart verpackt und mit Quetschn’n, Cajon oder Bass und Gitarrre umrahmt.
Philip: Um quasi mal das Eis zu brechen, sich mal vorzustellen, was man so macht.
Dieter: Der zweite Teil ist dann die Improvisation, der wird dann immer abgestimmt auf das Publikum.
Wie schaut das konkret aus? Ihr fragt das Publikum, was sie hören wollen?
Dieter: Ganz genau.
Clemens: Naja, wir geben das schon ein wenig vor. Wir sagen zum Beispiel, wir brauchen jetzt zwei Personen, einen Ort und einen Gegenstande. Dann kommt vielleicht als Rückmeldung der Pröll und der Pumuckl, als Ort hier im Kuckuck und…
Dieter: …ein Sektkühler.
Clemens: Dann fragen wir noch, in welchem Genre – von Blues und Jazz über Volksmusik bis Hip Hop und Funk – das Publikum das Lied gerne hören würde, und das spielen wir dann und versuchen textliche eine Geschichte mit den Worten zu spinnen, während wir spielen.
Was kommen da für Wünsche?
Dieter: Auspeitschen war noch nie (lachen)
Das Publikum ist so eine Herangehensweise an ein Konzert normalerweise ja nicht gewöhnt. Wie sind da die Reaktionen?
Dieter: Ja, es ist nicht immer leicht, dass es sich wer traut. Ich denke, es ist für das Publikum genauso schwierig wie für uns. Sie sollen uns zwar nur sagen, was wir machen sollen, aber dann wirklich aufzustehen ist schon ein mutiger Schritt.
Clemens: Also die meisten Reaktionen sind sehr positiv. Es war eigentlich erst zweimal, dass jemand durch irgendwie deppertes Verhalten seinen Unmut kundgetan hat.
Dieter: Das traut man sich in so einer Konstellation dann auch eher, als bei einem normalen Konzert. Aber man muss auch lernen, damit umzugehen.
Philpp: Das ist gerade das Spannende daran!
Dieter: Aber wir hatten auch schon Leute aus dem Publikum, die haben sich ein Instrument geschnappt und haben einfach mitgespielt, das ist sehr spannend und super.
Warum eigentlich der Name Tripolare Affektabstimmung?
Clemens: Also tripolar deshalb, weil wir drei Leute sind und weil wir unsere Affektabstimmung in drei Richtungen sehen: Die erste sind wir selber. Also was kommt in mir hoch? Welche Emotionen, Assoziationen oder Gedanken lösen die Inputs vom Publikum in mir aus. Die zweite Richtung ist die Kollegenschaft, also die beiden, das muss auch abgestimmt werden gesanglich und auch musikalisch. Und drittens natürlich das Publikum, das ist das dreifache Wechselspiel.
Der Sänger der Band „Muse“ hat einmal gesagt, sie haben auch deshalb diesen Namen gewählt, weil er in großen Lettern auf dem Plakat Platz hat. Vier Buchstaben, groß und fett. Das ist bei euch ein bisschen schwieriger…
(lachen) Dieter: Ja, letztens stand auf der Tafel vor der Bar, in der wir gespielt haben, nur: „19 Uhr: Tripolare“, dann war die Tafel aus.
War euch eine normale Band zu gründen zu langweilig?
(lachen) Dieter: Ja, das ganze war Clemens Idee. Ich habe vorher eher Volksmusik gemacht und danach Popmusik und wollte dann auch mal etwas Schräges machen. Ich hab’ mir das angehört und war begeistert, und ich denke, es entwickelt sich ganz gut.
Also gleicht kein Konzert dem anderen, und es ist auch vorher nicht abzuschätzen, wie es sein wird. Wie muss ein Konzert in der zweiten Hälfte ablaufen, damit ihr zufrieden seid?
Philipp: Erstens kommt es einmal auf die Grundstimmung an. Wenn man müde ist oder durch widrige Umstände gerade nicht auf voller Höhe…
Clemens: … der Merkur wandert auch gerade auf einer sehr schrägen Bahn…
Philipp: Genau (lacht). Also es kommt drauf an, es ist immer auch ein gemeinsames Wachsen.
Dieter: Wir haben auch schon schlechte Konzerte gehabt, wo die Stimmung auf der Bühne nicht gepasst hat, das merken die Leute sofort.
Die Stimmung des Publikums bedingt sich mit der der Band?
Clemens: Doch, es ist schon eine Affektabstimmung in beide Richtungen. Wir müssen uns als Band untereinander abstimmen, aber wir spüren natürlich auch das Publikum, wie es drauf ist und müssen uns darauf einstellen.
Philipp: Es ist immer spannend zu einem Konzert zu fahren, weil man ja nicht weiß, was auf einen zukommt. Bei einem Konzert im Sonnenpark in St.Pölten hat es kurz vorher zu regnen begonnen und wir haben dann nicht draußen sondern kurzfristig drinnen rein akustisch gespielt. Wir können auch unverstärkt spielen, also wir sind autark…
Clemens: Der Strompreis wird ja auch immer teurer…
Dieter: Ja, wir spielen fast überall für fast nix, hat mal jemand gesagt (lachen)
Das ist aber immer auch eine nicht nur musikalisch große Herausforderung.
Dieter: Natürlich, das ist extrem schwierig, aber lustig.
Clemens: Das gehört zum Konzept, dass wir auch unsere Schwäche zeigen und uns angreifbar machen. Wir ziehen uns quasi aus auf der Bühne, wir prostituieren und ein bisschen: Wir stellen uns hin und haben zu Beginn keine Ahnung was da jetzt kommt und ob uns was einfällt. Das ist das, was Stress macht, aber gleichzeitig interessanterweise auch entspannt. Weil die Erwartung vom Publikum sehr niedrig ist.
Philipp: Ich finde das aber für einen Musiker total wichtig. Wenn ich mir irgendwelche Coverbands anschaue, die etwas schon 1.000 Mal gespielt haben und dann runter spielen, dann denken die eher schon daran „wie bewege ich mich, welche Posen zeige ich“
Dieter: Manche wie die Kastelruther Spatzen machen nur die Posen, wie man unlängst erfahren hat.
Das stimmt, war aber nicht die große Überraschung. Ihr habt gesagt, ihr prostituiert euch auch ein bisschen, aber in Wirklichkeit prostituieren sich ja zum beim Beispiel die Kastelruther Spatzen ja viel mehr, wie man am „Playback-Skandal“ gesehen hat.
Dieter: Ja, aber es hat trotzdem seine Berechtigung und ich will das auch nicht schlecht machen. Sie machen viel Kohle damit, machen aber auch viele Leute damit glücklich und das ist okay. Sie haben wunderschöne Lieder zum Träumen…
Philipp: Aber viele machen ja die Texte gar nicht selber. Wenn man als Musiker gefordert ist, ist das sehr schön finde ich und das merkt das Publikum auch im Gegensatz dazu, wenn man einfach nur eine Show abzieht.
Dieter: Ja, aber ich denke schon, dass die Schlager- und Volksmusiksänger hinter dem Stehen, was sie machen. Sonst würden sie das auch nicht „durchdrucken“ denke ich.
Naja, Es gibt auch die Gerüchte, dass sich die Musiker beim Musikantenstandl in der Pause auf der Toilette das Koks reinziehen weil sie es nicht mehr aushalten….
Philipp: Naja, das ist halt Showbusiness.
Also ist das bei euch auch so?
(lachen) Philipp: Ja, da ist Showbiz.
Habt ihr keine Angst, einen Auftritt mal so richtig zu versauen?
Clemens: Ja, aber Scheitern sehen wir als Chance, Markus! Manchmal ist es so, dass wir uns innerlich eine rote Nase aufsetzen, dann ist das Scheitern irrsinnig lustig. Wenn man darüber lacht, ist es nur halb so wild und kann darin auch wieder eine Resource sehen.
Und wird dadurch stärker. Also eure Musik quasi auch so eine Art Selbsttherapie?
Clemens: Genau, der Versuch einer Selbstheilung.
Dazu braucht man eine gehörige Portion Mut und Selbstironie.
Clemens: Ja, du wirst es nicht glauben, ich kann sehr perfektionistisch sein, und zwar so weit, dass mich das irrsinnig unter Druck setzt. Und mit diesem Projekt versuche ich, dafür ein Gleichgewicht hineinzubringen. Ich weiß nicht, ob es immer gelingt, aber der Weg ist das Ziel, oder? (lacht)
Also in gewisser Weise auch Selbsterfahrung, Grenzen austesten vielleicht. Geht es im Prinzip darum, dass beide, also Publikum und Musiker, auch voneinander lernen?
Dieter: Du schmückst das immer wundervoll aus.
Clemens: Absolut, der geborene Journalist (lachen). Das ist vielleicht auch der heilende Charakter. Ich habe unser Projekt auch einmal als minimalistisches musiktherapeutisches Theater bezeichnet. Als Spielraum für uns aber auch für die Zuhörer, ein Ort, um neue Erfahrungen machen zu können.
Interview: Markus Teufel
Termin: 20.6.2013 Mojo Bar Amstetten