13.07.2016 0 Kommentare

Unscheinbar

Ist das Schloss Edla in Amstetten nur ein „Ansitz“ oder doch ein Schloss? Der Versuch einer Begriffsbestimmung und ein Blick hinter die Kulissen.

von robert voglhuber

Foto: Robert Voglhuber

Foto: Robert Voglhuber

In der Nähe der Ausfahrt von Amstetten Richtung Ardagger findet man das in einem weitläufigen Park liegende Schloss Edla. An dem relativ einfachen zweigeschossigen Kastenbau ist noch die alte Eckquaderung sichtbar. Derzeit beherbergt das Schloss die Musikschule und die Volkshochschule von Amstetten. Um hineinzukommen, muss man schon einen Kurs buchen. Der Schlosscharakter zeigt sich dann auch eher von innen – mit hohen Decken und kreuzgratgewölbten Räumen aus dem 16. Jahrhundert.

Die grüne Lunge Amstettens

Das eher schlicht gestaltete Schloss ist umgeben von einer herrlichen Parkanlage, die ursprünglich nach dem Ideal der Renaissance als Landschaftspark angelegt wurde, der die Flora der damals bekannten Welt darstellte. Der Natur-Erlebnis-Pfad Amstetten führt durch den Edlapark und ein großer Spielplatz bietet Kindern Gelegenheit zum Austoben. Gerne wird der Park als Kulisse für romantische Hochzeitsfotos genutzt. Mitten darin befindet sich ein kleiner Ententeich, der zahlreichen Tieren und Pflanzen Lebensraum bietet. Er wurde im Rahmen des Projektmarathons 2014 von der Landjugend neu gestaltet. Außer Enten kann man dort je nach Jahreszeit und Geduld beispielsweise auch Kaulquappen, Libellen und Molche beobachten.

Am Rande des idyllischen Parks steht das nahezu unscheinbare Schlösschen, nebenbei ein Speicher mit Schießscharten. Nachdem das Schloss Edla eher unscheinbar ist und es nach nicht viel mehr aussieht wie nach einem alten Wohnhaus, kann es passieren, dass man auf der Suche danach genau an ihm vorbeigeht und Passanten fragt, wo genau es nun versteckt sei. Ich habe drei Leute gefragt, keiner wusste es. Erst ein dritter, ein Ortskundiger, wies mich darauf hin, dass ich unmittelbar davor stünde.

Ist das nun wirklich ein Schloss? Oder ein Ansitz? Abgesehen davon, dass jede Burg und jedes Schloss mit auch der Sitz feudaler Herrschaften war – so auch im Falle Schloss Edla – und somit ein „Adelssitz“ oder „Ansitz“ ist, bestehen Unterschiede in der Begriffsverwendung. In wissenschaftlichen Texten werden Bauten mit unverputztem, urigem Gemäuer und mittelalterlichem Aussehen meist als Burgen bezeichnet, während man den Begriff Schloss lieber für verputzte, scheinbar oder tatsächlich jüngere Bauten verwendet. Ist der unverputzte Bau aber nur klein, bezeichnet man ihn meist nur als „Wohnturm“ oder „festes Haus“, und ist der verputzte Bau eher klein, ist er meist nur ein „Ansitz“. Nachdem der Begriff „Ansitz“ im Volksmund eher ungebräuchlich ist, spricht man je nach Größe und Aussehen desselben von einem „Schlössl“. Andererseits hat man aber auch so manchem Bau, der eigentlich nur ein Ansitz ist, den Namen „Burg“ oder „Schloss“ zugeeignet, während andere wiederum in betonter Bescheidenheit nur mit „Hof“ betitelt werden. So erlaubt diese Vielfalt durchaus eine gewisse Freiheit in der Begriffswahl, und die wird meist mehr nach dem Gefühl, nach stilistischer Notwendigkeit oder nach eingebürgerter Gepflogenheit als nach festen Kriterien getroffen. Dementsprechend hat sich für den herrschaftlichen „Ansitz“ im Edlapark eben der Begriff „Schloss“ eingebürgert.

In der wechselhaften Geschichte des „Schlosses“ Edla kann ganz besonders ein dunkles Kapitel Aufmerksamkeit erregen. Über die Geschichte einer Enteignung soll hier die Rede sein. Nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland hielten die Nazis das Schloss geeignet für eine germanische „Thingstätte“. Damals war der Ortskommandant der Heimwehr, Richard Warton, Eigentümer. Längere Zeit schon war er den Braunhemden als Nazi-Gegner bekannt. Der Amstettner Zeithistoriker Gerhard Ziskovsky hat herausgefunden, was damals geschah. Wartons Frau, eine Amerikanerin, wurde als Spionin verleumdet. Ihn selbst holte ein Nazi-Schlägertrupp mitten in der Nacht aus dem Bett und verprügelte ihn im Wald. Halbtot konnte er sich in der Finsternis wieder ins Haus schleppen. Der Familie gelang die Flucht in die USA. Auf das Schloss hatten die Nazi-Machthaber schon gewartet. Sie richteten dort eine ideologisch „gesäuberte“ Volksbücherei ein. Nach dem Krieg hat die Republik Österreich das enteignete Schloss restituiert. Der verwitwete Richard Warton verkaufte das Gebäude und verbrachte seinen Lebensabend in Kalifornien und Hinterbrühl, wo er 1994 verstarb. Heute gehört das Schloss der Stadtgemeinde Amstetten.

Restaurierung ist geplant

Das Schloss Edla hat nicht nur eine Vergangenheit, es soll auch eine Zukunft haben. Deshalb bedarf es einer Restaurierung. Geplant sind u.a. ein Aufzug und eine vielfältige barrierefreie Nutzung als Haus für Kultur und Kommunikation. Zu diesem Zweck sind ein Multifunktionsraum für zirka 60 Personen, Beratungsräume und eine Teekücke für die Selbstversorgung vorgesehen. Auch Vorschläge für einen Veranstaltungsraum für Ausstellungen und Kammerkonzerte und Präsentationsräume für die Geschichte Amstettens wurden von der Arbeitsgruppe unter der Leitung von Vizebürgermeisterin Ulrike Königsberger-Ludwig eingebracht. Das gesamte Restaurierungsprojekt wird sich auf 1.640.000 Euro belaufen. Auch für das vielfach gewünschte öffentlich zugängige WC für Parkbenutzer wird eine Lösung gesucht. Bevor mit den großen Umbauarbeiten begonnen werden kann, muss die Erstellung eines restauratorischen Raumbuchs erfolgen, in dem die historisch wertvollen Objekte für das Bundesdenkmalamt festgehalten werden.

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