Wir sind Europa!
Die Angst geht um in Europa – Nationalismus, Hass und Terror scheinen unser aller Alltag zu bestimmen. Niederösterreichs Bestsellerautorin Eva Rossmann widmete genau diesem Thema ihr neues Buch.
interview | doris schleifer-höderl

„Wir dürfen uns von Rechtspopulisten nicht den Begriff Patriotismus kaputtmachen lassen.“
Foto: Fotowerk Aichner
Steht Europa am Scheideweg?
Ich glaube schon. In den nächsten zehn bis 15 Jahren wird sich entscheiden, wie es mit uns allen in Europa weitergehen wird. Die zentrale Frage ist: Schaffen wir es, Europa zu vertiefen? Schaffen wir es, die Friedens-, Wirtschafts- und Sozialgemeinschaft zu stärken oder schaffen wir es nicht? Wird uns nicht bald klar, dass wir alle Europa sind, dann wird Europa in viele kleine Einzelstaaten zerbröseln und der Nationalismus damit noch mehr gestärkt. Wollen wir das ernsthaft?
Was bedeutet für Sie Patriotismus?
Im einengenden und ausschließenden Sinne finde ich Patriotismus ganz fürchterlich. Dieses „Wir sind wir und alle anderen sollen draußen bleiben“ ist schrecklich. Dazu kommt, dass alle, die nicht so denken, ebenfalls zu Feinden erklärt werden. Patriotismus im offenen Sinne ist hingegen absolut Meines. Ich finde das Weinviertel super und freue mich, dass ich dort leben darf. Überhaupt habe ich ein Riesenglück, in Österreich und in Europa leben zu dürfen – das ist keine Selbstverständlichkeit und schon gar kein Verdienst. Mir geht es gut und ich habe das Gefühl, genau deshalb für das Wohlergehen in meinem engeren Umfeld sowie darüber hinaus auch etwas machen zu müssen. Wir dürfen uns von Rechtspopulisten nicht den Begriff Patriotismus kaputtmachen lassen. Sie haben kein alleiniges Anrecht auf unsere Heimat. Das ist doch bitte eine Sauerei – und genau dagegen versuche ich mit meinem Buch zu arbeiten.
Gab es ein einschneidendes Erlebnis, das Sie dazu bewog, einen Roman über die Thematik Nationalismus, Terror und Hass zu schreiben?
Es hat sich in den letzten Jahren so massiv zugespitzt und ich habe schon länger mit dem Gedanken gespielt, hier etwas zu veröffentlichen. Hundertprozentig sicher war ich mir dann beim Präsidentenwahlkampf im Vorjahr. Was da in den Sozialen Medien abgegangen ist, war unfassbar. Die Hetze der Rechten und ihre Botschaft „Wir gegen den Rest der Welt“ konnte ich nicht einfach hinnehmen. Dieser versuchten Spaltung der Gesellschaft musste ich einfach etwas entgegensetzen. Dabei: Ich glaube gar nicht an diese Spaltung; man hat nur versucht, sie uns einzureden. Das ist eigentlich verdammt schlau. Denn da hast du auf der einen Seite die guten Nationalisten, die Opfer, und auf der anderen Seite die Bösen, die den Staat ruinieren und die jene unterstützen, die Österreich zerstören wollen. Echt krass! Aber das ist auch etwa in Ungarn oder in Polen und in der Türkei nicht anders. Im Grunde handelt es sich um Populismus der übelsten Art und der muss aufgezeigt werden.
Was wollen Sie Ihren Lesern mit „Patrioten“ mit auf den Weg geben?
Ein Buch kann nur erzählen und in einem Roman hat der erhobene Zeigefinger überhaupt nichts verloren. Deshalb zeige ich eben Mechanismen auf, wie Soziale Medien funktionieren und wie leicht wir uns darin verheddern. Gerade weil unsere Welt so schnell ist, lassen wir uns in soziale Strömungen hineinziehen, die völlig blödsinnig sind. Wir sollten uns lieber überlegen, wie gut es uns in Europa geht und wie wenig kompliziert es ist, zu teilen. Daher lasse ich auch die verschiedensten Personen im meinem Buch zu Wort kommen. Sie sind alle keine Heldinnen und Helden, sondern normale Leute. Es gibt gute Möglichkeiten, unseren Alltag zu bewältigen, auch in großen und manchmal erschreckenden Zusammenhängen.
Tatsächlich hat man den Eindruck, die ganze Welt ist im Umbruch und zeigt erschreckende Tendenzen in Richtung Verrohung, Unmenschlichkeit und Fanatismus. Wie kann man dem entgegenwirken?
Jeder muss sich einbringen! Nur raunzen ist zu wenig. Nach dem starken Mann zu rufen, der alles richten soll, ist fatal. Denn der starke Mann richtet sich ja letztendlich genau gegen seine Rufer, wie uns die Geschichte gelehrt hat. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass die, die an die Macht kommen, dann auf die „kleinen Leute“ schauen. Ganz im Gegenteil, sie schauen ausschließlich auf ihre eigenen Ideen. All diesen Tendenzen können wir nur entgegenwirken, wenn wir selbst Verantwortung übernehmen – unter anderem auch für unsere Heimat. Ich persönlich sehe mich als Österreicherin und Europäerin. Das Geraunze um Europa geht mir gewaltig auf die Nerven. Bitte wir alle sind Europa und wir müssen was machen, nicht „die in Brüssel“. Wir sind ein Teil des Systems und wir profitieren davon.
Suchen manche bewusst nach Sündenböcken, um eigene Unzulänglichkeiten zu kompensieren?
Natürlich. Wenn man selber verunsichert ist und glaubt, selbst stets zu kurz gekommen zu sein, dann sucht man nach jemandem, der daran schuld ist. Wenn es dann noch Menschen gibt, die einem solche Sündenböcke präsentieren, dann fruchtet das. Wir hatten diese Situation schon öfter und ich frage mich ernsthaft: Warum haben wir nicht daraus gelernt? Schuld hat nie eine Volksgruppe oder ein Konstrukt der Zusammengehörigkeit von Menschen, Schuld haben letztendlich wir alle.
In wenigen Tagen werden wir wieder zur Wahlurne gebeten und viele sprechen in Anbetracht der angespannten Weltlage von einer Entscheidungswahl für Österreich.
Jede Wahl ist entscheidend. Bei der Nationalratswahl geht es darum, wer die Rahmenbedingungen für die nächsten fünf Jahre bestimmt. Deshalb ist es auch wichtig, dass man zur Wahl geht. Die Möglichkeit, mitzubestimmen, wer mehr Einfluss auf unsere Lebensbedingungen hat und wer weniger, darf man sich doch bitte nicht selbst nehmen.
Zur Person
Die gebürtige Grazerin Eva Rossmann (55) lebt und arbeitet seit 1990 im Weinviertel. Die Verfassungsjuristin ist politische Journalistin und seit 1994 freie Autorin und Publizistin. Nach unzähligen Sachbüchern begann sie, Krimis zu verfassen und avancierte mit ihrer Krimireihe über die Lifestyle-Journalistin und Hobbydetektivin Mira Valensky und deren Putzfrau Vesna Krajner zur Bestsellerautorin. Als bekennender politischer Mensch war Rossmann Mitinitiatorin des Frauenvolksbegehrens im Jahr 1997 und nimmt sich kein Blatt vor den Mund, wenn es um gesellschaftliche Ungerechtigkeiten geht.
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